Enteignung vor österreichischem VerfGH: Bleibt Hit­lers Geburts­haus in staat­li­cher Hand?

22.06.2017

Die Republik Österreich hat die Eigentümerin von Hitlers Geburtshaus enteignet. Die Regierung wollte damit verhindern, dass das Haus zur Pilgerstätte für Rechtsextreme wird. Diese Maßnahme prüft nun Österreichs höchstes Gericht.

Es geht um die Liegenschaft Salzburger Vorstadt Nr. 15, Braunau am Inn. Ein 1.500 Quadratmeter großes Areal in einem seit 1993 denkmalgeschützen Ensemble. Doch ist dies nicht irgendein Grundstück: Hier steht Hitlers Geburtshaus.

Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VerfGH) hat am Donnerstag darüber verhandelt, ob die Enteignung der damaligen Eigentümerin rechtens war. Dazu muss im Kern geklärt werden, ob nur durch diesen Schritt das angestrebte Ziel erreicht werden konnte: Das Areal so gründlich umzugestalten, dass es nicht mehr als Pilgerstätte für Neonazis attraktiv ist.

"Die tiefgreifende architektonische Veränderung kann nur der Eigentümer machen", begründete die Regierung den Schritt. Falsch, meint der Anwalt der ehemaligen Eigentümerin, Gerhard Lebitsch. "Die Lösungsvorschläge waren immer ein wenig halbherzig", kritisierte er das Verhalten der Regierung.
Der VerfGH könnte mit seiner Entscheidung, die in wenigen Wochen erwartet wird, erneut für Aufsehen sorgen:

Erst vor einem Jahr kippte er in einem historischen Verfahren die komplette Bundespräsidentenwahl in Österreich und ordnete eine Neuauflage an. Sollte er das Gesetz zur Enteignung der Liegenschaft in Braunau vom vergangenen Dezember für verfassungswidrig erklären, wäre das eine schallende Ohrfeige - vor allem für das federführende Innenministerium.

Unbehagen der Regierung über ungewünschte Umtriebe

500 Quadratmeter Grund hat das dreistöckige Gebäude, 1.000 Quadratmeter Fläche umfassen die Parkplätze und Garagen. Dass der Staat gleich alles enteignet und damit unverhältnismäßig gehandelt haben soll, ist einer der Klagegründe. "Die Enteignung sei auch überschießend, weil mehr Eigentum in Anspruch genommen werde - nämlich die gesamte Liegenschaft - als unbedingt notwendig", zitierte das Gericht aus der Klage.   

Am 20. April 1889 war der spätere Diktator Adolf Hitler in dem Haus geboren worden. Nur einige Monate verbrachte seine Familie noch dort, bevor sie umzog. Dennoch - da sind sich beide Seiten einig - ist das Gebäude als Teil eines Mythos immer wieder Ziel für die Neonazi-Szene. Rechtsextremisten aus Ungarn ließen sich davor gern ablichten, meinte ein Regierungsvertreter. "Viel gefährlicher sind aber die Gruppen, die subkutan auftreten" - also heimliche Nazi-Sympathisanten, ergänzte er. Seit einigen Jahren formuliert die Regierung deutlicher denn je ihr Unbehagen über diese Umtriebe.  

"Die Neutralisierung des Ortes hätte man schon seit 40 oder 50 Jahren machen können", sagt Lebitsch. Denn seit Jahrzehnten war die öffentliche Hand Mieterin des Gebäudes. Zunächst war eine Schule, später eine Behindertenwerkstätte dort untergebracht. Als es keine Einigung über behindertengerechte Umbauten gab, zog die Werkstätte aus. Seit 2011 steht das Gebäude leer, für das die Republik seitdem 300.000 Euro an Miete überwiesen hat. Doch die Kommunikation zwischen der schwerkranken und medienscheuen Hauseigentümerin und dem Ministerium über eine sinnvolle Neunutzung funktionierte offenbar nicht. Beide Seiten beschuldigen sich in dieser Frage bis heute gegenseitig.

2016 setzte das Innenministerium eine Expertenkommission ein, die über eine angemessene Nutzung und Neugestaltung befinden sollte. Die Fachleute waren gegen Abriss und den Bau eines Museums, sondern für die künftige Umgestaltung des Areals ohne Wiedererkennungswert. Jetzt hat der VerfGH das letzte Wort, ob dazu gleich eine Enteignung nötig war.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Enteignung vor österreichischem VerfGH: . In: Legal Tribune Online, 22.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23256 (abgerufen am: 12.12.2024 )

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