Mit Ceta werden keine Gesetzgebungskompetenzen auf die EU übertragen. Bayern muss daher kein Volksbegehren durchführen, urteilte der VerfGH München. Derweil hat das EU-Parlament dem Abkommen zugestimmt.
Trotz massiver Proteste und mehrerer zehntausend Unterschriften gegen das umstrittene Handelsabkommen Ceta muss die bayerische Staatsregierung kein Volksbegehren durchführen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer solchen Bürgerbefragung wegen des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union (EU) seien nicht gegeben, entschied der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) in München (Urt. v. 15.02.2017, Az. Vf. 60-IX-16).
Die Initiatoren des Volksbegehrens wollten das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada verhindern. Dazu hatten sie zuvor mehr als 30.000 gültige Unterschriften - und damit mehr als die notwendigen 25.000 - eingereicht. Durch ein Volksbegehren könnte eine entsprechende Gesetzesvorlage in den Landtag eingebracht und - falls dieser sie nicht annimmt - über einen Volksentscheid herbeigeführt werden.
Das Innenministerium hatte die Zulassung des Volksbegehrens jedoch abgelehnt. Dabei argumentierte das Ministerium, mit der Ratifizierung von Ceta durch die Bundesrepublik Deutschland würden keine Gesetzgebungsrechte der Bundesländer auf die EU übertragen. Durch die Ablehnung war das Ministerium gemäß Art. 64 Landeswahlgesetz verpflichtet, den Bayerischen Verfassungsgerichtshof anzurufen.
Der entschied nun, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht vorlägen. Zwar könne die Staatsregierung nach Art. 70 Abs. 4 S. 2 Bayerische Verfassung in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben durch Gesetz gebunden werden, wenn die Gesetzgebungskompetenz wegen der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union betroffen sei.
Bindung nur bei Hoheitsrechten der Landesgesetzgeber
Eine Bindung der Staatsregierung sei grundsätzlich auch im Wege der Volksgesetzgebung möglich. Allerdings betreffe die Bindung nur die Fälle, in denen die Übertragung der Hoheitsrechte das Gesetzgebungsrecht der Länder betreffe. "Dann, und nur dann", so die Richter, solle dem Landesgesetzgeber eine unmittelbare Beteiligung insbesondere durch gesetzliche Weisung gegenüber der Staatsregierung für die Abstimmung im Bundesrat ermöglicht werden.
Es sei allerdings zweifelhaft, ob die Bindungswirkung des Art. 70 Abs. 4 S. 2 Bayerische Verfassung auf das Abstimmungsverhalten der Staatsregierung im Bundesrat erstreckt werden könne. Das müsse in diesem Fall jedoch auch nicht abschließend geklärt werden. Denn bei dem Abkommen mit Kanada sei jedenfalls kein Bundesgesetz angestrebt, welches die Zustimmung des Bundesrates betreffen könnte.
Maßgeblich sei dabei allein, wie die Gesetzgebungsorgane des Bundes das zur Abstimmung gestellte Gesetzesvorhaben bewerten. Führten sie kein Gesetzgebungsverfahren nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz durch, sei auch kein Raum für eine Bindung der Staatsregierung durch Landesgesetz.
Mit dem Freihandelsabkommen wollen die EU und Kanada ihre Wirtschaftsbeziehungen auf eine neue Basis stellen. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll es auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum geben. Die Abkürzung Ceta steht für "Comprehensive Economic and Trade Agreement" (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen).
Enttäuschung und Genugtuung
Ceta und auch TTIP sind wegen ihrer demokratischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen hochkontrovers. Das BVerfG hatte die vorläufige Anwendung von Ceta allerdings gestattet.
"Wir sind natürlich enttäuscht", sagte Susanne Socher, Sprecherin des Landesverbandes Bayern des Vereins "Mehr Demokratie" und Vertrauensperson des Volksbegehrens. Durch ein Volksbegehren hätte es ihrer Ansicht nach eine Chance gegeben, die massive Kritik in der Bevölkerung gegen Ceta zu befrieden. Das Gericht habe nun diese Möglichkeit genommen. Auch wenn in Bayern damit der Protest einen Dämpfer erhalten habe, bleibe aber noch Hoffnung, betonte Socher. Denn in anderen Bundesländern, darunter Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, liefen eigene Volksinitiativen gegen Ceta.
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) reagierte mit Genugtuung auf die Entscheidung. Mit dem Volksbegehren sollte versucht werden, mit einem Landesgesetz etwas zu regeln, was eindeutig in die Zuständigkeit des Bundes falle. "Deshalb ist dieses Volksbegehren unzulässig. Das war unsere Auffassung, und die ist durch den Verfassungsgerichtshof jetzt bestätigt worden", sagte Herrmann am Mittwoch im Landtag.
In Straßburg hat derweil das EU-Parlament über das Abkommen abgestimmt: 408 Abgeordnete stimmen dafür, 254 votieren dagegen. Mit der Zustimmung von Mittwoch gelten die Teile des Vertrags, für die die EU alleine zuständig ist, voraussichtlich ab April vorläufig.
tap/LTO-Redaktion mit Material der dpa
Tanja Podolski, Urteil in München, Abstimmung in Straßburg: . In: Legal Tribune Online, 15.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22105 (abgerufen am: 05.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag