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Schuldenbremse und Sondervermögen: Union und SPD auf der Suche nach Geld

04.03.2025

Friedrich Merz

Friedrich Merz wird sehr wahrscheinlich Bundeskanzler mit einer schwarz-roten Regierung. Foto: picture alliance / photothek.de | Florian Gaertner

Für die Sondierungsteams von Union und SPD tickt die Uhr: Woher bekommen sie das Geld, das sie für absehbare Ausgaben in der nächsten Legislaturperiode brauchen werden? Es geht um Milliarden und Europa wartet auf eine deutsche Antwort.

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Die Sondierungen von Union und SPD in Berlin steuern auf eine wichtige Vorentscheidung zu. Es geht darum, wie eine mögliche schwarz-rote Bundesregierung mehr finanziellen Spielraum bekommen kann, sowohl für die Verteidigung aber auch für wichtige Investitionen in die Infrastruktur. Neuen Schwung in die Gespräche könnte ein Vorschlag der Bundesbank für eine Reform der Schuldenbremse bringen.

"Ich glaube, heute ist ein sehr, sehr wichtiger Tag. Ich hoffe, dass wir erfolgreich sind", sagte CSU-Chef Markus Söder kurz vor Beginn des dritten Verhandlungstags in Berlin. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte, Deutschland müsse gleichzeitig der Ukraine helfen, die Bundeswehr stärken, aber auch genug Geld haben, um die eigenen Probleme im Land zu lösen. "Zum Beispiel die Stärkung der Wirtschaft."

Einigung rechtzeitig zum EU-Gipfel?

Das Zerwürfnis zwischen den USA und der Ukraine sowie die vorerst eingestellten US-Militärhilfen setzen die Regierungsbildung in Deutschland unter großen Zeitdruck. Die für die weitere Ukraine-Hilfe wichtigen Finanzfragen sollen möglichst bis zum EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag geklärt werden.

Dort wollen die Europäer auf den Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj reagieren und einen gemeinsamen Kurs auf dem Weg zum Frieden für die Ukraine abstecken. Dabei wird es um weitere Finanz- und Militärhilfen für das von Russland angegriffene Land gehen, aber auch um die Stärkung der europäischen Streitkräfte.

Wo das Geld herkommen könnte

Ökonomen sehen bei der Bundeswehr einen Investitionsbedarf von bis zu 400 Milliarden, bei Infrastruktur von Bund und Ländern – also Straßen, Schulen, Schiene und anderes – sogar einen Bedarf von 400 bis 500 Milliarden.

Zusätzliches Geld könnte über eine Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz (Art. 109 Abs. 3 GG) mobilisiert werden, die die Union bislang aber grundsätzlich ablehnt. Im Gespräch sind deshalb auch zwei getrennte, milliardenschwere Sondervermögen für Bundeswehr und Infrastruktur, die im Grundgesetz verankert und so von der Schuldenbremse ausgenommen werden.

Sondervermögen sind Töpfe neben dem regulären Haushalt, die einem ganz bestimmten Zweck dienen und die zum Beispiel mit Krediten gefüllt werden können. Der Staat würde dann Anleihen am Kapitalmarkt ausgeben. Meist werden diese dann von institutionellen Anlegern wie Pensionskassen und Kreditinstituten gekauft, aber auch von Fonds wie etwa dem norwegischen Staatsfonds.

Bundesbank für Reform der Schuldenbremse

Die Bundesbank plädiert in einem Papier für eine Reform der Schuldenbremse mit höheren Verschuldungsspielräumen vor allem für Sachinvestitionen. Es liegt Table Media vor und auch der dpa. Orientieren soll sich die Neuverschuldung demnach daran, ob die Staatsverschuldung über oder unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Diese Marke ist in den EU-Maastricht-Verträgen als Verschuldungsgrenze festgezurrt.

Bisher erlaubt die Schuldenbremse nur eine jährliche Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – etwas mehr, wenn die Konjunktur schwächelt. Die Bundesbank schlägt nun vor, die Grenze bei Schuldenquoten unter 60 Prozent auf 1,4 Prozent anzuheben. Bei höheren Schuldenquoten sollen bis zu 0,9 Prozent Neuverschuldung möglich werden. 

Bis 2030 hätte der Staat damit im günstigsten Fall immerhin rund 220 Milliarden Euro mehr Kreditspielraum als jetzt. Liegt die Schuldenquote wie aktuell über der europäischen Grenze, wären immerhin noch rund 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden erlaubt.

Entscheidung mit dem alten Bundestag?

Das Thema Lockerung der Schuldenbremse ist hochumstritten. Die SPD hält eine Reform der Schuldenbremse für den besseren Weg – anders als die Union, die das bisher stets grundsätzlich ausschließt. Allein könnten Union und SPD aber ohnehin nicht entscheiden: Für eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig.

Im neuen Bundestag könnten AfD und Linke einen solchen Beschluss verhindern – sie haben allein mehr als ein Drittel der Stimmen. Das ist die sogenannte Sperrminorität. Im Gespräch ist deshalb ein Beschluss des alten Bundestags, wo Union und SPD gemeinsam entweder mit Grünen oder FDP die nötige Mehrheit aufbringen könnten.

Doch die sind scheinbar noch nicht mit im Boot. Der wahrscheinliche künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) müsse jetzt "endlich liefern und konkrete Finanzierungsvorschläge machen", forderte Grünen-Chefin Franziska Brantner auf X. Sie kritisierte, Merz glaube, "Friss oder stirb wäre tragfähig in dieser Weltlage". Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler sagte der dpa: "Wir brauchen kein Stückwerk mit einmaligen Sondervermögen, die nach ein paar Jahren leer sind und wir dann vor den gleichen Problemen stehen." Allerdings sei der Investitionsbedarf in wirtschaftliche Transformation, eine Erneuerung der Infrastruktur, Bildung und anderes auch weit größer als die 100 Milliarden, die die von der Bundesbank vorgeschlagene Reform bringen könnte. 

Der alte Bundestag darf noch zusammentreten, bis der neue sich konstituiert hat (Art. 39 GG). Das muss spätestens am 25. März passieren. Für eine Reform des komplizierten Konstrukts Schuldenbremse wäre also nur wenig Zeit. Die Einrichtung von Sondervermögen dürfte im Vergleich einfacher zu realisieren sein.

dpa/jb/LTO-Redaktion

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Schuldenbremse und Sondervermögen: . In: Legal Tribune Online, 04.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56725 (abgerufen am: 16.05.2025 )

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