UN-Bericht zu Minderheiten in Xinjiang: Anzei­chen für Ver­b­re­chen gegen Men­sch­lich­keit in China

01.09.2022

UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet hat wenige Minuten vor dem Ende ihrer Amtszeit den Umgang mit Minderheiten in China massiv kritisiert. Peking hält den Bericht für "falsch und illegal", Menschenrechtler fordern Konsequenzen.

Die Amtszeit von UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet endete am 31. August 2022 – und als letzte Amtshandlung veröffentlichte sie einen seit langem erwarteten Bericht zur Lage in Xinjiang. Um kurz vor Mitternacht am Mittwochabend erschien der Bericht, der ein düsteres Licht auf die Menschenrechtslage in der chinesischen Region wirft.

"Im Rahmen der von der Regierung verfolgten Strategien zur Bekämpfung des Terrorismus und des 'Extremismus' wurden in der Autonomen Region Xinjiang-Uigurien der Volksrepublik China (XUAR) schwere Menschenrechtsverletzungen begangen" (aus dem Englischen übersetzt), so das Fazit des knapp 46 Seiten langen Dokuments.

XUAR umfasst ein Sechstel der Gesamtfläche Chinas und ist mit 25,85 Millionen Einwohnern die größte Region des Landes. Sie grenzt an Afghanistan, Indien, Kasachstan, Kirgistan, die Mongolei, Pakistan, Russland und Tadschikistan. In Xinjiang gibt es schon lange Spannungen zwischen den herrschenden Han-Chinesen und ethnischen Minderheiten.

Seit blutigen Unruhen 2009 und Terroranschlägen greifen die Sicherheitskräfte hart durch. Die muslimischen Uiguren beklagen kulturelle und religiöse Unterdrückung, während Peking uigurischen Gruppen Extremismus und Separatismus vorwirft.

Seit dem Ende des Jahres 2017 erhielt das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (engl. Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) vermehrt Hinweise auf mögliche Menschenrechtsverletzungen, denen es seitdem nachging – und zu einem deutlichen Ergebnis kam.

"Willkürliche Inhaftierungen in großem Umfang"

In dem UN-Bericht heißt es, Beschreibungen von Menschen, die in sogenannten "Berufsbildungseinrichtungen" festgehalten wurden, hätten Muster von Folter oder anderen Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung aufgezeigt. "Das Ausmaß der willkürlichen und diskriminierenden Inhaftierung von Angehörigen der Uiguren und anderen überwiegend muslimischen Gruppen (...) könnte internationale Verbrechen, insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darstellen." Den Menschen seien von 2017 bis 2019 und möglicherweise darüber hinaus fundamentale Rechte vorenthalten worden, so der Bericht weiter.

In den von China als "Berufsbildungseinrichtungen" bezeichneten Anstalten sei es "zu willkürlichen Inhaftierungen in großem Umfang" gekommen. Das UN-Büro zitiert Quellen, die von bis zu einer Million Inhaftierten sprechen. Menschen, mit denen es sprach, hätten keinen oder kaum Kontakt zu ihrer Familie gehabt und seien vor Gesprächen gezwungen worden, sich positiv zu äußern.

Der UN-Bericht sollte schon im vergangenen Jahr veröffentlicht werden. Bachelet zögerte aber, weil sie mit China monatelang darüber verhandelte, ins Land reisen zu können. Die Reise kam im Mai 2022 zustande. Bachelet kam auch nach Xinjiang, doch hielt sie sich zum Ende des Besuchs mit Kritik an Pekings Vorgehen in der Region stark zurück.

Das brachte ihr Kritik ein, unter anderem von der Bundesregierung. Bachelet stand unter immensem Druck, wie sie vergangene Woche berichtete. Sie habe einen Brief von rund 40 Regierungen erhalten, die sie drängten, von der Veröffentlichung abzusehen. Einzelne Staaten nannte sie allerdings nicht.

Forderungen nach unabhängiger Untersuchungskommission

Lob für den UN-Bericht gab es von Menschenrechtsorganisationen. "Die Opfer und ihre Familien, die von der chinesischen Regierung lange verunglimpft wurden, sehen endlich, dass ihre Verfolgung anerkannt wird", sagte John Fisher von der Organisation Human Rights Watch (HRW) in Genf. HRW forderte den UN-Menschenrechtsrat auf, eine unabhängige Untersuchungskommission einzurichten. Der Rat tagt ab dem 12. September in Genf. Unter den 47 Mitgliedern sind zurzeit Deutschland und auch China.

Auch die Menschenrechtsorganisation International Service for Human Rights (ISHR) forderte Konsequenzen. "Dieser Bericht ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Rechenschaft über Rechtsverletzungen an Uiguren und türkischen Muslimen in China", teilte Exekutivdirektor Phil Lynch mit. Das Verhalten Chinas dürfe nicht weiter geduldet werden, meinte ISHR-Programmdirektorin Sarah Brooks.

Das Auswärtige Amt im Berlin sah in dem Bericht eine Bestätigung dafür, dass in Xinjiang "Anlass zu größter Sorge besteht". Man rufe "die chinesische Regierung dazu auf, allen Menschen in Xinjiang umgehend in vollem Umfang ihre Menschenrechte zu gewähren. Alle willkürlich Inhaftierten müssen sofort freigelassen werden", so das Auswärtige Amt weiter. 

China: Bericht ist "falsch und illegal"

China hat indes mit Empörung auf den UN-Bericht reagiert und dem Westen systematische Manipulation und Lügen vorgeworfen. Der Sprecher des chinesischen Außenamtes in Peking, Wang Wenbin, nannte den Bericht am Donnerstag "falsch und illegal". 

Westliche Staaten hätten Druck auf Bachelet ausgeübt, um die Veröffentlichung herbeizuführen. Ziel des Westens sei es, China durch "politische Manipulation" zu isolieren. Dies sei jedoch zum Scheitern verurteilt, sagte Wang Wenbin weiter.

Bachelets Amtszeit als UN-Menschenrechtskommissarin ist jetzt beendet. Sie war seit 2018 im Amt, um eine zweite Amtszeit bewarb sie sie nicht. UN-Generalsekretär António Guterres hat noch keine Nachfolgerin oder einen Nachfolger benannt.

dpa/fkr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

UN-Bericht zu Minderheiten in Xinjiang: . In: Legal Tribune Online, 01.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49504 (abgerufen am: 06.10.2024 )

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