Für den deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner hat die Staatsanwaltschaft im Prozess wegen Terrorverdachts einen Freispruch gefordert. Dennoch kritisiert Amnesty International den Prozessverlauf scharf.
Im Prozess gegen den in der Türkei wegen Terrorvorwürfen angeklagten deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch Freispruch gefordert. Grund sei ein Mangel an Beweisen, hieß es am Mittwoch im Plädoyer des Staatsanwalts vor dem Istanbuler Gericht. Für den im selben Verfahren angeklagten Ehrenvorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic, forderte er allerdings eine Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Darauf stehen bis zu 15 Jahre Haft.
Amnesty kritisierte die Forderung scharf. Steudtner, der nicht zur Verhandlung angereist war, reagierte irritiert auf die unterschiedlichen Strafforderungen. Ein Urteil wird zum nächsten Gerichtstermin am 19. Februar erwartet.
Die Anklage schlug auch einen Freispruch für Steudtners schwedischen Kollegen Ali Gharavi und drei weitere der insgesamt elf Angeklagten vor. Fünf Angeklagte sollen aus Sicht des Staatsanwalts wegen Terrorunterstützung verurteilt werden.
Amnesty International: "Unerwartetes und wirklich schlechtes Ergebnis"
Steudtner, Gharavi und acht türkische Menschenrechtler waren Anfang Juli 2017 bei einem Workshop auf der Insel Büyükada vor der Küste Istanbuls unter Terrorverdacht festgenommen worden. Zu Prozessbeginn im Oktober 2017 kamen alle frei, Steudtner und Gharavi reisten aus. Kilic, dessen Fall später der Anklageschrift hinzugefügt wurde, saß mehr als ein Jahr lang im westtürkischen Izmir in Untersuchungshaft.
Steudtner sagte, er sei "genervt und entsetzt über das Ergebnis des heutigen Verhandlungstages". Wieso es die unterschiedlichen Strafforderungen gebe, sei ihm unverständlich.
Das Plädoyer des Staatsanwalts sei fast eine "Kopie der ursprünglichen Anklageschrift" und damit ein "juristisches Unding". Entlastende Beweise, die zum Teil auf Polizeiermittlungen beruhten, seien nicht berücksichtigt worden. Steudtner sagte, er könne sich vorstellen, dass der für ihn vorgeschlagene Freispruch auch mit wirtschaftlichen und politischen Erwägungen der türkischen Regierung zu tun habe.
Der Türkei-Experte der Organisation Amnesty International, Andrew Gardner, reagierte mit scharfer Kritik auf die Strafforderung gegen Kilic. "Selbst für die sehr niedrigen Standards von Prozessen, die in solchen Fällen stattfinden, war das ein wirklich unerwartetes und wirklich schlechtes Ergebnis heute", sagte er. Es sei, als ob die letzten beiden Jahre Prozess nie stattgefunden hätten. Der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus Beeko, forderte die Bundesregierung und andere Staaten dazu auf, sich umgehend für einen Freispruch aller Menschenrechtler einzusetzen.
Der Fall Steudtner sowie die Inhaftierung weiterer Deutscher hatte ab 2017 die türkisch-deutschen Beziehungen schwer belastet. Zwischenzeitlich hatte sich nach der Freilassung prominenter Betroffener das Verhältnis etwas entspannt. Zuletzt war die Zahl der Deutschen im Konflikt mit der türkischen Justiz aber wieder gestiegen. Nach offiziellen Angaben von vergangener Woche sitzen derzeit 60 Deutsche in türkischer Haft. Noch im Februar lag die Zahl bei 47.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Türkische Staatsanwaltschaft fordert Freispruch: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38917 (abgerufen am: 14.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag