Kann die Parteimitgliedschaft eines Verfassungsrichters Grund für einen erfolgreichen Befangenheitsantrag gegen ihn sein? Nein, so Thüringens Verfassungsgericht. Anders sieht es bei bestimmten Aktivitäten auf Facebook aus.
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof (VerfGH) hat entschieden, dass das Ablehnungsgesuch der AfD-Landtagsfraktion gegen den Richter Jens Petermann in einem Verfahren zum Jugendwahlrecht begründet ist (Beschl. v. 06.12.2017, Az. 24/17). Petermann, der von 2009 bis 2013 Bundestagsabgeordneter der Linken war, wurde 2015 auf Vorschlag der Linken vom Landtag zum Verfassungsrichter gewählt.
In dem Verfahren, in dem Petermann mitwirken sollte, geht es um die Senkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre in Thüringen, gegen die die AfD im Juli ein Normenkontrollverfahren angestrengt hatte. Sie greift damit auch das Stimmrecht von EU-Ausländern bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sowie das Recht von Ausländern an, sich an sogenannten Einwohneranträgen auf kommunaler Ebene beteiligen zu dürfen.
Die AfD hatte argumentiert, es bestünden Zweifel, dass Petermann als ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Linken und weiterhin aktives Mitglied der Partei in dem Verfahren unvoreingenommen urteile. Sie hatte dabei auf seine Facebook-Aktivitäten hingewiesen.
Facebook-Aktivitäten hinsichtlich der zu entscheidenden Sache
Die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei könne zwar ebenso wenig wie eine kritisch-ablehnende Haltung gegenüber einer anderen politischen Partei für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit begründen, entschied das Gericht. Von der Besorgnis der Befangenheit Petermanns sei aber bei der Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände auszugehen.
Als Begründung nannte das Gericht Aktionen und Einträge von Petermann im sozialen Netzwerk Facebook, in denen er ein Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre positiv bewertet ("geliked") hatte. Das habe er auch aufrechterhalten, nachdem die AfD eine verfassungsrechtliche Überprüfung der neuen Regelungen zum Wahlalter in Thüringen beantragt hatte. Auch Äußerungen auf seiner Facebook-Seite zur AfD seien dabei mit einzubeziehen gewesen. Ebenso eine Rolle spielte laut Gericht, dass Petermann auf seiner Facebook-Seite auf die richterliche Tätigkeit hingewiesen habe.
Die AfD begrüßte die Entscheidung des Thüringer VerfGH, die laut Gericht mit acht zu einer Stimme fiel. "Die Thüringer Justiz erweist sich einmal mehr als feste Bastion staatlicher Neutralität, die in der heutigen Zeit leider nicht selbstverständlich ist", erklärte Stefan Möller, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
AfD Thüringen mit Ablehnungsgesuch erfolgreich: . In: Legal Tribune Online, 08.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25919 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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