Druckversion
Donnerstag, 6.11.2025, 20:32 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/thueringen-wahl-des-landtagspraesidenten-afd-hoecke
Fenster schließen
Artikel drucken
55487

Wahl des Landtagspräsidenten: Steht die thürin­gi­sche Allianz gegen die AfD?

24.09.2024

Björn Höcke

Die AfD will aus der Totalopposition hinaus und strebt zunehmend ein Regierungsamt an. Foto: picture alliance/dpa | Frank Hammerschmidt

Knapp vier Wochen nach der Thüringer Landtagswahl kommt es zum ersten Kräftemessen zwischen einer starken Höcke-AfD und den anderen Parteien. Es geht darum, wer das wichtige Präsidentenamt bekommt.

Anzeige

Erwartet wird ein Politikspektakel, das einen Vorgeschmack auf die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen gibt. Fast vier Wochen nach der Landtagswahl soll das Landesparlament in Erfurt am Donnerstag (26.09.) mit der Arbeit beginnen - und dazu gehört die Wahl einer Landtagspräsidentin oder eines Landtagspräsidenten. Bisher war das eine eher unspektakuläre Aktion. Die stärkste Fraktion, die in der Regel auch die künftige Regierung anführt, präsentierte eine Persönlichkeit, die möglichst nicht als strammer Parteisoldat auffiel und für viele wählbar war. Doch das ist Vergangenheit.

Diesmal geht es um ein Kräftemessen zwischen der starken AfD-Fraktion mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke und den vier anderen Fraktionen CDU, BSW, Linke und SPD. Im Vorfeld ist die Rede von politischen Winkelzügen und möglichen Tricksereien.

Die Ausgangslage

Nach den Spielregen des Landtags hat die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für das Präsidentenamt, das mit einer Reihe von Entscheidungsbefugnissen versehen ist. Mit Abstand stärkste Fraktion ist in Thüringen - anders als in Brandenburg und Sachsen - die AfD. Sie stellt 32 von 88 Abgeordneten und beansprucht das zweithöchste Staatsamt im Freistaat für sich. Sie schlug ihre Abgeordnete Wiebke Muhsal als Kandidatin vor.

Die 38 Jahre alte vierfache Mutter stammt aus Nordrhein-Westfalen und blieb nach dem Studium in Thüringen. Sie gehörte dem Landtag bereits von 2014 bis 2019 an und fiel beispielsweise damit auf, dass sie eines Tages in einer Art Niqab schwarz verschleiert im Landtag erschien. Vor einigen Jahren wurde Muhsal wegen Betrugs rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Gerichte sahen es als erwiesen an, dass sie einen Arbeitsvertrag mit einer Mitarbeiterin im Jahr 2014 um zwei Monate vordatierte, um zusätzliches Geld von der Landtagsverwaltung zu erhalten. Manche empfinden den AfD-Personalvorschlag auch deshalb als Provokation. "Wer sich an Steuergeldern vergreift, darf nicht Landtagspräsidentin werden", findet Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

Bereits vor Bekanntwerden von Muhsals Kandidatur hatten CDU, BSW und CDU signalisiert, dass sie jemanden mit AfD-Parteibuch nicht für wählbar halten. Der Landtagspräsident als "Hüter der Verfassung und des Parlamentarismus" in Thüringen könne nicht von einer Partei kommen, die vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet wird, betonte etwa Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt immer wieder. Die CDU schickt ihren Abgeordneten Thadäus König ins Rennen, der 2019 schon einmal Höcke bei der Landtagswahl bezwang und im katholisch geprägten Eichsfeld das Direktmandat holte. König ist auch stellvertretender CDU-Landesvorsitzender und verteidigte sein Direktmandat - mit dem landesweit besten Erststimmenergebnis.

Der Konflikt

Die AfD pocht jedoch auf ihr Vorschlagsrecht. Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz hält die Kritik der AfD, das Agieren der anderen Parteien sei undemokratisch, für unberechtigt. Das Bundesverfassungsgericht habe jüngst in vergleichbaren Fällen deutlich gemacht, "dass ein Vorschlagsrecht nicht verbunden ist mit einem bestimmten Wahlergebnis". Brodocz betont: "Die Wahl ist der zentrale demokratische Mechanismus."

Doch was passiert, wenn die AfD-Kandidatin keine Mehrheit erhält? Nach Ansicht der Landtagsverwaltung nutzt sich das Vorschlagsrecht der stärksten Fraktion ab, spätestens nach einem zweiten gescheiterten Wahlgang könnten demnach auch andere Fraktionen Kandidaten aufstellen. Die AfD vertritt hier eine andere Rechtsauffassung: Ihrer Meinung nach darf nur die AfD Wahlvorschläge machen.

Der vermeintliche Ausweg 

Um auf Nummer sicher zu gehen, wollen CDU und BSW noch vor der Wahl des Landtagspräsidenten die Geschäftsordnung des Parlaments ändern. So steht es auch auf der Tagesordnung der ersten Sitzung. Geplant ist, dass schon ab dem ersten Wahldurchgang andere Fraktionen Kandidaten aufstellen dürfen. Die AfD reagiert entsetzt und ihr Landeschef Höcke fährt schweres Geschütz auf: "Es ist unfassbar, mit welchen politischen Taschenspielertricks die Kartellparteien die Wahlergebnisse und die parlamentarische Partizipation eines Drittels der Thüringer Wähler aushebeln wollen", schrieb der 52-Jährige auf der Plattform X. Höcke spricht vom "Schreddern der demokratischen Kultur", an dem sich auch die erst gegründete Wagenknecht-Partei beteilige.

Sein Co-Parteichef Stefan Möller, Jurist, hält eine Änderung der Geschäftsordnung für nicht möglich. "Solange sich der Landtag nicht konstituiert hat, kann er auch die Geschäftsordnung nicht ändern", sagt er. Die Konstituierung sei erst mit der Wahl des Landtagspräsidenten abgeschlossen. Vertreter der anderen Parteien im Landtag sehen das anders. Der Experte Brodocz hält das Vorgehen von CDU und BSW für nachvollziehbar, um einen "Rechtskonflikt in der ersten Sitzung" zu verhindern. Die bisherige Geschäftsordnung sei in ihrem Wortlaut nicht ganz eindeutig.

Der AfD-Joker

Das Ass im Ärmel der AfD ist 73 Jahre alt und heißt Jürgen Treutler. Der Ingenieur aus Südthüringen wird als Alterspräsident die erste Sitzung des neu gewählten Landtags leiten. Nach Ansicht von AfD-Co-Chef Möller legt in der ersten Sitzung allein der Alterspräsident die Geschäftsordnung aus und entscheidet über den Verlauf der Landtagssitzung. "Lassen sie sich überraschen", sagte Treutler zuletzt auf die Frage, wie er agieren will. Aus den Reihen der anderen Parteien hatte es zunächst Befürchtungen gegeben, Treutler könnte einfach stur immer wieder neue Wahlgänge mit AfD-Kandidaten aufrufen, sich auf seine Auslegung der Geschäftsordnung berufen und Kandidaten der anderen Fraktionen ignorieren. Auch deshalb wollen CDU und BSW die Regeln präziser fassen.

Denkbar ist inzwischen aber auch, dass Treutler Möllers Rechtsauffassung teilt und den Landtag bis zur abgeschlossenen Konstituierung für nicht beschlussfähig hält. Nach einer juristischen Einschätzung der Landtagsverwaltung steht es dem Parlament ab seinem Zusammentritt frei, die Geschäftsordnung zu ändern. Das Papier bezieht sich auf das Selbstorganisationsrecht des Landtags. Weigert sich Treutler, die Abstimmung über die Geschäftsordnung aufzurufen, wäre wohl ein Gang zum Thüringer Verfassungsgerichtshof angesagt. Dort hat man bereits signalisiert, sich vorzubereiten und eine möglichst schnelle Entscheidung in Aussicht gestellt.

Bei alldem könnte auch ein jüngst ergangenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Ausschussvorsitzposten der AfD im Bundestag relevant werden. Der Zweite Senat hatte sich hier insbesondere mit Vertrauen und Mehrheitverhältnissen in der parlamentarischen Arbeit befasst. Dazu kommentierte der stellvertretende LTO-Chefredakteur, Dr. Markus Sehl: "Wenn sich Situationen ergeben, für die sich in der Geschäftsordnung keine Regeln finden, dann bleibt es dabei: Die Mehrheit hat es in der Hand. Sie entscheidet selbst über die Organisation in eigener Sache, wie sie Arbeits- Funktionsfähigkeit des Parlaments sicherstellen".

dpa/jb/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Wahl des Landtagspräsidenten: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55487 (abgerufen am: 08.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Staatsrecht und Staatsorganisationsrecht
    • AfD
    • Landtag
    • Landtagswahlen
Das rechtsextreme Compact-Magazin in einer Verkaufsstelle im Stuttgarter Bahnhof, andere Magazine sind digital unscharf gestellt 05.11.2025
Vereinsverbot

Urteilsgründe zum Compact-Verbot:

BVerwG lässt wenig Raum für ver­eins­recht­liche Medi­en­ver­bote

Im Juni hob das BVerwG das Compact-Verbot auf. Die nun vorliegenden Urteilsgründe zeigen Sensibilität für das Problem, das Vereinsrecht für Medienverbote einzusetzen, analysiert Paula Rhein-Fischer. Auch die AfD muss ihre Lehren ziehen.

Artikel lesen
Schild Justizzentrum Erfurt 04.11.2025
Konkurrentenklage

ArbG Erfurt zur Verfassungstreue:

Zu viel AfD für den Job?

Ein AfD-Kreistags- und Parteimitglied wollte einen Job beim Thüringer Landesverwaltungsamt. Doch das Innenministerium intervenierte vor der Stellenbesetzung. Nun klagt der Mann die Stelle ein und will Geld aus Verzug und c.i.c.

Artikel lesen
Wahlplakat von Ulrich Oehme 31.10.2025
Bundestag

VG zu Sicherheitsbedenken wegen Russland-Kontakten:

Kein Bun­des­tags­aus­weis für Ex-AfD-Abge­ord­neten

Die Bundestagsverwaltung verweigerte drei Mitarbeitern von AfD-Politikern den Parlamentshausausweis. Einer von ihnen, Ulrich Oehme, ging per Eilantrag dagegen vor und scheiterte nun: Seine engen Kontakte zu Russland seien zu bedenklich.

Artikel lesen
Björn Höcke 28.10.2025
AfD

Thüringer Justiz-Ausschüsse tagen trotz AfD-Blockade:

Neue Richter auf Lebens­zeit – und auf Risiko?

Die AfD blockiert im Thüringer Landtag die Wahlausschüsse für Richter und Staatsanwälte. Nun haben die Ausschüsse in alter Besetzung ihre Arbeit gemacht. Eine gerechtfertigte Notlösung oder ein heikler Schritt?

Artikel lesen
Bystrons Anwalt Peter Solloch sortiert vor Prozessbeginn medienbekannte Hitlergruß-Abbildungen 17.10.2025
Nationalsozialismus

11.250 Euro Geldstrafe:

AfD-Poli­tiker für mon­tierten Hit­ler­gruß ver­ur­teilt

AfD-Politiker Petr Bystron wird wegen Verwendung von NS-Kennzeichen verurteilt. Er hatte eine Montage von Angela Merkel und Bettina Wulff mit durchgestrecktem Arm gepostet. Die Rechtsprechung kennt bei solchen Provokationen wenig Gnade.

Artikel lesen
Sitzungsglocke auf dem Pult der Bundestagspräsidentin 17.10.2025
Bundestag

Bundestag beschließt Änderung der Geschäftsordnung:

Mehr Zwi­schen­fragen, weniger Belei­di­gungen

Beleidigende Zwischenrufe und wiederholte Ordnungsrufe im Plenarsaal werden künftig teurer. Der Bundestag beschloss eine entsprechende Änderung seiner Geschäftsordnung. Die AfD wertet das als Angriff auf die Opposition.

Artikel lesen
lto karriere logo

Deine Karriere beginnt hier.

Registrieren und nie wieder einen Top-Job verpassen

logo lto karriere
Jetzt registrieren bei LTO Karriere

Finde den Job, den Du verdienst 100% kostenlos registrieren und Vorteile nutzen

  • LTO Job Matching: Finde den Job & Arbeitgeber, der zu Dir passt.
  • Jobs per Mail: Verpasse keine neuen Job-Angebote mehr.
  • One-Klick Bewerbung: Dein Klick zum neuen Job, einfach und schnell.
Das Passwort muss mindestens 8 Zeichen lang sein und mindestens einen Großbuchstaben, einen Kleinbuchstaben, eine Zahl und ein Sonderzeichen enthalten (z.B. #?!@$%^&*-).
Pflichtfeld *

Nur noch ein Klick!

Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte klicke auf den Bestätigungslink in dieser E-Mail, um Deine Anmeldung abzuschließen.

Weitere Infos & Updates einfach und kostenlos direkt ins Postfach.

LTO Karriere Newsletter

Das monatliche Update mit aktuellen Stellenangeboten & Karriere-Tipps.

LTO Daily

Jeden Abend um 18 Uhr die wichtigsten News vom Tag.

LTO Presseschau

Jeden Morgen um 7:30 Uhr die aktuelle Berichterstattung über Recht und Justiz.

Pflichtfeld *

Fertig!

Um die kostenlosen Nachrichten zu beziehen, wechsle bitte nochmal in Dein Postfach und bestätige Deine Anmeldung mit dem Bestätigungslink.

Du willst Dein Bewerberprofil direkt anlegen?

Los geht´s!
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Stu­den­ti­sche Aus­hil­fe (m/w/d)

FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG , Ham­burg

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Mün­chen Früh­jahr...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Mün­chen

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Düs­sel­dorf...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Düs­sel­dorf

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle , Bü­cke­burg

Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle , Sta­de

Logo von Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg
Voll­ju­ris­ten (w/m/d) als Füh­rungs­kräf­te im Team @fi­nan­zenBW

Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg , Stutt­gart

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Frank­furt...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von Hengeler Mueller
Dispute Resolution INSIGHTS: Lerne unser Team kennen

19.11.2025, Frankfurt am Main

Wegzüge und Zuzüge im Steuerrecht

10.11.2025

Logo von Fieldfisher
Real Estate Praxis Update: Der Blick ausländischer Investoren auf den Immobilienmarkt Deutschland

13.11.2025, Hamburg

Logo von e-fellows.net GmbH & Co. KG
LL.M. Day München

22.11.2025, München

§ 15 FAO - Designrecht / Produktschutz

10.11.2025, Hamburg

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH