Der Terrorismus geht längst über alle Grenzen hinweg. Ist der deutsche Föderalismus angesichts der aktuellen Gefahren noch zeitgemäß? Innenminister de Maizière hat eine sehr grundsätzliche Debatte angestoßen.
Es ist ein Sturm der Entrüstung, den Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ausgelöst hat. Mit seinem Ruf nach mehr Sicherheitskompetenzen für den Bund hat er vor allem die Länder verärgert. Von einem "Frontalangriff auf das föderale Prinzip der Bundesrepublik" war die Rede, von einer "Gefahr für die demokratische Grundordnung", gar vom "Einstieg in einen autoritären Polizeistaat".
Dabei ist die Debatte nicht neu. Schon 2004 hatte der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) als Antwort auf Terror und Organisierte Kriminalität eine Zentralisierung des Verfassungsschutzes gefordert. Die bisherige föderale Struktur sei ein "Sicherheitsrisiko", warnte er.
Dass der Aufschrei bei solchen Vorstößen groß ist, muss nicht wundern. Denn die Diskussion rührt an die Grundfesten der ausgeklügelten Machtbalance zwischen Bund und Ländern, wie auch der LTO-Podcast erklärt.
"Die Zuständigkeit für Polizei und Innere Sicherheit gehört zu den Kernkompetenzen der Bundesländer", sagt die Politologie-Professorin Sabine Kropp von der Freien Universität Berlin in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. "Insofern ist die Frage: Wie weit kann man den Ländern Kompetenzen wegnehmen oder sie aushöhlen, ohne das föderale System aufzugeben?"
Die Lehre der NS-Zeit: Nie mehr ein Einheitsstaat
Dass der sperrige Begriff Föderalismus (vom lateinischen foedera: Bünde, Verträge) in Deutschland so hoch geschätzt wird, hat historische Gründe. Das System reicht bis weit in die deutsche Geschichte zurück, letztendlich bis ins Mittelalter mit seinen Stadtstaaten und Fürstentümern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es als Lehre aus der NS-Zeit von den westlichen Siegermächten wiederbelebt - als Garant gegen Machtmissbrauch.
Nie mehr sollte nach der Schreckensherrschaft der Nazis und dem Völkermord an sechs Millionen Juden wieder ein zentralistischer Einheitsstaat auf deutschem Boden möglich sein. Gerade im Sicherheitsbereich war die Rolle der allmächtigen Geheimen Staatspolizei (Gestapo) das abschreckende Beispiel. Das Grundgesetz schreibt deshalb unwiderruflich die Gliederung des Staates in Länder vor. Die Macht des Bundes ist durch die Rechte der Länder begrenzt.
Allerdings sind nach Ansicht des Erlanger Politologen Roland Sturm ("Der deutsche Föderalismus") die Grundsätze längst ausgehöhlt. So hätten die Länder schon seit Jahrzehnten kaum mehr Zugriff auf eigene Steuerquellen. Mit der Verpflichtung auf die Schwarze Null im Etat seien sie seit der Föderalismusreform 2009 nicht mal mehr Herr ihrer Ausgaben, kritisiert der entschiedene Föderalist.
Er spricht von einem Henne-Ei-Problem. "Erst verlieren die Länder Kompetenzen und Geld, und dann wird ihnen vorgeworfen, sie seien handlungsunfähig." Für die Gesellschaft bedeute das weniger Bürgernähe, weniger Transparenz, weniger Rücksicht auf regionale Besonderheiten. "Der Staat verliert ständig an demokratischer Qualität", meint der Wissenschaftler Sturm.
Föderalismus vs. Zentralismus: . In: Legal Tribune Online, 09.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21703 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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