Eine Massage mit Folgen – Jannik Sinner wird wegen eines Doping-Verstoßes gesperrt. Allerdings nur kurz: Schon beim nächsten Topevent kann der Weltranglistenerste wieder antreten. Grund dafür ist ein Deal mit der Welt-Anti-Doping-Agentur.
Ein Deal und viel Kritik: Der Tennis-Weltranglistenerste Jannik Sinner ist wegen eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regularien nun doch gesperrt worden – allerdings nur für rund drei Monate. Zwar verpasst der dreimalige Grand-Slam-Turnier-Sieger wichtige Turniere, kann aber bei den French Open in Paris Ende Mai wieder dabei sein. Bereits am 13. April darf der 23-jährige Italiener wieder mit dem Training beginnen.
Sinner war im März 2024 zweimal positiv auf das verbotene anabole Steroid Clostebol getestet worden. Laut der verantwortlichen Tennis-Agentur ITIA konnte ihm dabei aber kein vorsätzliches Verschulden und keine Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Deshalb hat sich Sinner mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) nun auf eine dreimonatige Sperre geeinigt. Grundlage für den Deal ist eine Vorschrift im WADA-Code, die ein sogenanntes "case resolution agreement" explizit vorsieht.
Die WADA hatte ursprünglich eine Sperre von ein bis zwei Jahren gefordert – mit massiven Folgen für die Karriere des 2001 geborenen Sinner. Mehrere prominente Kommentatoren und Spieler kritisieren den jetzt geschlossenen Deal und sehen darin eine unfaire Bevorzugung.
Eigentlich war die WADA vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) gezogen, die Verhandlung in der Causa war für den 16. und 17. April angesetzt. Den Einspruch vor dem CAS zog die WADA nun aufgrund der Einigung zurück.
Substanz über eine Massage in seinen Körper gelangt
Sinner hatte erklärt, die Substanz sei bei einer Massage über die Hände seines Physiotherapeuten in seinen Körper gelangt. Nun teilte die WADA mit, dass sie die Erklärung Sinners insoweit akzeptiere. Konkret bedeutet das: Sinner hatte keine Dopingabsicht, das Clostebol hatte keine leistungssteigernde Wirkung und war ohne sein Wissen lediglich durch Fahrlässigkeit einer seiner Physiotherapeuten in seinen Körper gelangt.
Allerdings besteht nach den WADA-Reglurarien eine Verantwortlichkeit der Sportler auch für Fahrlässigkeit von Mitarbeitern. "Aufgrund der besonderen Sachlage dieses Falles wird eine dreimonatige Sperre als angemessenes Ergebnis erachtet", hieß es seitens der WADA abschließend.
"Ich habe immer akzeptiert, dass ich für mein Team verantwortlich bin und ich glaube, dass die strengen WADA-Regeln wichtig für den Sport sind, den ich liebe", sagte Sinner der Nachrichtenagentur Ansa. "Auf dieser Grundlage habe ich das Angebot der WADA angenommen, das vorliegende Verfahren auf der Grundlage einer dreimonatigen Sanktion zu regeln."
Deutliche Kritik von Djokovic und Zverev
Bei einigen seiner Tennis-Kollegen kam das nicht gut an. "Ein trauriger Tag für das Tennis. Fairness im Tennis existiert nicht", schrieb der Australier Nick Kyrgios auf der Plattform X. Der 29-Jährige hatte sich schon mehrfach überaus kritisch zu Sinner geäußert und eine angebliche Vorzugsbehandlung des italienischen Tennisstars angeprangert. Auch Routinier Stan Wawrinka kritisierte das Urteil. "Ich glaube nicht mehr an einen sauberen Sport", schrieb der Schweizer bei X. Die Spieler-Gewerkschaft PTPA, einst von Rekord-Grand-Slam-Champion Novak Djokovic gegründet, sprach von "fehlender Transparenz".
Djokovic selbst sagte: "Eine Mehrheit der Spieler denkt, dass es nicht fair ist. Eine Mehrheit der Spieler denkt, dass es eine Bevorzugung gibt". Man könne beinahe den Ausgang des Verfahrens beeinflussen, soweit man als gutbezahlter Topspieler Zugang zu "Topanwälten" habe, so Djokovic weiter. Das sehe auch man auch in der Umkleide so: "Es gibt eine Mehrheit an Spielern, mit denen ich in der Umkleide gesprochen habe - nicht nur in den vergangenen Tagen, sondern auch den vergangenen Monaten - die nicht glücklich sind, wie mit dem gesamten Prozess umgegangen wurde", sagte Djokovic. "Aktuell gibt es grundsätzlich ein Mangel an Vertrauen sowohl von männlichen als auch weiblichen Tennisprofis gegenüber der WADA und der ITIA und dem gesamten Prozess."
Auch die deutsche Nummer Eins, Alexander Zverev, äußerte sich verwundert. "Entweder man hat sich nichts zuschulden kommen lassen, dann sollte man überhaupt nicht gesperrt werden. Denn wenn du keine Schuld hast, dann hast du auch keine Schuld. Du solltest nicht bestraft werden", sagte Zverev, der kürzlich im Finale der Australian Open gegen Sinner chancenlos war, gegenüber Clay. "Aber wenn man sich doch etwas zuschulden kommen lässt, dann denke ich, dass drei Monate für die Einnahme von Steroiden keine Sperre sind." Die Situation und den ganzen Prozess seit dem letzten Jahr bezeichnete Zverev als "seltsam".
Doping-Experte kritisiert Institutionen
Für Doping-Experte Fritz Sörgel ist das System mit der WADA und dem Sportgerichtshof CAS "am Ende", wie Sörgel der dpa sagte. "Und zwar deswegen, weil die WADA jetzt schon öfter in solchen Fällen eingeknickt ist und weil das CAS die absolute Verantwortlichkeit des Sportlers für seinen Körper schon längst eigentlich ad acta gelegt hat", erklärte der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg-Heroldsberg. Aus Sicht von Sinner sei es legitim gewesen, "zu retten, was zu retten ist", so Sörgel weiter. "Und zu retten sind natürlich in erster Linie die Grand Slams im Sommer. Das ist ja klar, also Paris und Wimbledon."
Der Fall war im vorigen August publik geworden und hatte schon zu diesem Zeitpunkt auch für Empörung gesorgt. Einige Experten und Ex-Profis kritisierten, dass das Anti-Doping-Vergehen so lange geheim gehalten worden war und Sinner ohne vorläufige Sperre davon kam – ein Erfolg von Sinners Anwaltsteam.
Der Südtiroler gewann trotz des physischen und mentalen Stresses durch die Vorwürfe mehrere große Turniere, darunter die US Open 2024 sowie kürzlich die erfolgreiche Titelverteidigung in Melbourne. Diese Ergebnisse werden Sinner nicht aberkannt. Auch Preisgeld muss er nicht zurückzahlen.
jb/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa
Tennis-Weltranglistenerster Jannik Sinner: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56618 (abgerufen am: 25.03.2025 )
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