Druckversion
Samstag, 7.06.2025, 01:58 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/taeglich-menschenhandel-bericht-des-deutschen-instituts-fuer-menschenrechte
Fenster schließen
Artikel drucken
55658

Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte: Deut­sch­land muss Opfer von Men­schen­handel besser schützen

17.10.2024

Erntehelfer

Auch in der Landwirtschaft kommt es laut dem Bericht zu Menschenhandel. Betroffene bräuchten schnelleren Zugang zu ihren Rechten. Foto: Adobe Stock - Bill Ernest

Landwirtschaft, Prostitution, Pflege oder Bau: In all diesen Branchen arbeiten auch Opfer von Menschenhandel. Deutschland müsse mehr für sie tun, so das Deutsche Institut für Menschenrechte. Die Bundesregierung kündigt einen Aktionsplan an.

Anzeige

Opfer von Menschenhandel haben in Deutschland nach Einschätzung von Fachleuten oft Probleme, ihre Rechte wahrzunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt ein in Berlin vorgestellter Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte, der nach Institutsangaben erstmals alle verfügbaren Daten zu diesem Thema zusammenfasst, sowohl von Behörden als auch Beratungsstellen.

"Menschenhandel findet tagtäglich in Deutschland statt, etwa in der Pflege, im Haushalt, in der Prostitution, in der Landwirtschaft, der fleischverarbeitenden Industrie oder im Baugewerbe", sagte die Direktorin des Instituts, Beate Rudolf. Bei aller Unterschiedlichkeit der Branchen gelte: "Sie sind personalintensiv und setzen weder spezielle Qualifikationen noch Sprachkenntnisse voraus." Viele Betroffene blieben im Verborgenen, weil sie sich schämten, bedroht würden oder Angst hätten vor Repressalien.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte wird vom Bund finanziert und arbeitet unabhängig. Es forscht und berät zu den Menschenrechten und berät die Politik. 

Wer betroffen ist

Bei sexueller Ausbeutung stellten Ermittler laut Bericht vor allem Betroffene aus Deutschland, Rumänien, Bulgarien, China, Ungarn, Thailand und Vietnam fest. Bei Beratungsstellen meldeten sich vornehmlich Menschen aus Nigeria und anderen westafrikanischen Staaten. Betroffene von Arbeitsausbeutung kommen demnach überwiegend aus der Ukraine, Rumänien, Georgien, Bosnien und Herzegowina sowie Bulgarien.

Der Bericht, der künftig alle zwei Jahre erscheinen soll, erfasst Daten aus dem Zeitraum 2020 bis 2022. In dieser Zeit haben Ermittlungsbehörden demnach 3.155 Betroffene identifiziert, im
Schnitt also fast drei pro Tag. Es sei aber von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Auf einen männlichen kommen zwei weibliche Betroffene. Bei sexueller Ausbeutung sind den Angaben zufolge mehr als 90 Prozent der Betroffenen Frauen, im Bereich der Arbeitsausbeutung sind mehr als die Hälfte Männer. Laut Bundeskriminalamt (BKA) ist insgesamt fast jeder Vierte minderjährig.

Institut: Mehr Schutz für Opfer nötig

Deutschland müsse besser werden beim Schutz der Opfer von Menschenhandel, so das Institut. Es brauche Verfahren, um sicherzustellen, dass diese überall erkannt werden und dann schnell Zugang zu ihren Rechten bekommen, betonte Naile Tanis, die beim Institut die Berichterstattungsstelle Menschenhandel leitet.

So hätten Betroffene, wenn sie einmal als solche identifiziert seien, ein Recht auf Zeit, um sich von ihren Erfahrungen zu erholen und über eine Zusammenarbeit mit den Behörden nachzudenken. Allerdings hat laut Bericht nur die Hälfte aller sechzehn Bundesländer spezielle Schutzunterkünfte. Zudem hänge das Recht zum Aufenthalt in Deutschland von der Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden ab, die Hürden seien hier aber hoch. Das Institut plädierte unter anderem dafür, Betroffenen grundsätzlich ein Aufenthaltsrecht zu gewähren und mehr Beratungsstellen einzurichten.

Die Bundesregierung kündigte an, im kommenden Frühjahr solle ein Aktionsplan gegen Menschenhandel verabschiedet werden. Das hatten SPD, Grüne und FDP bereits in ihrem Koalitionsvertrag vor bald drei Jahren vereinbart. Damit soll der Schutz Betroffener verbessert und die Strafverfolgung effizienter werden. “Wir müssen entschlossen gegen diese verabscheuungswürdige Kriminalitätsform vorgehen - auch und gerade mit den Mitteln des Strafrechts. Der Nationale Aktionsplan zielt daher auch auf eine effektive Strafverfolgung, unter anderem durch eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern”, so Bundesjustizminister Marco Buschmann. Die Bundesregierung setzt mit dem Nationalen Aktionsplan laut Pressemitteilung auf erfolgreiche bisherige Maßnahmen und ergänzt sie um neue, notwendige Schritte. Etwa sollen Straftatbestände angepasst und die Datenlage verbessert werden.

dpa/pdi/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte: . In: Legal Tribune Online, 17.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55658 (abgerufen am: 11.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Öffentliches Recht
    • Menschenhandel
    • Menschenrechte
Demonstranten schwenken georgische Nationalflaggen während einer Protestaktion der Opposition gegen das "Gesetz zur Transparenz ausländischer Einflussnahme" in Tiflis, Georgien, am 02.05.2024. 02.06.2025
Menschenrechte

Bericht von "Brot für die Welt":

Demo­k­ratie und Men­schen­rechte welt­weit unter Druck

Ein jährlicher Bericht von "Brot für die Welt" untersucht, welche zivilgesellschaftlichen Freiheiten die Staaten den Bürgern gewähren. Die Freiheitsrechte in Deutschland seien "beeinträchtigt", was der zweitbesten Kategorie entspricht.

Artikel lesen
Bewohner eines Flüchtlingslagers in Griechenland 16.04.2025
Asyl

BVerwG sieht keine unmenschliche Aufnahmesituation:

Über­stel­lung "nicht­vul­ne­ra­bler Flücht­linge" nach Grie­chen­land mög­lich

Flüchtlingen, die jung, arbeitsfähig und gesund sind, droht in Griechenland keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, hat das BVerwG entschieden. Deren Asylanträge können hierzulande daher als unzulässig abgelehnt werden.

Artikel lesen
Mutmaßliche Gang-Mitglieder im Hochsicherheitsgefängnis El Salvador 18.03.2025
USA

Trotz gerichtlicher Verfügung:

Donald Trump schiebt 250 Vene­zo­laner nach El Sal­vador ab

Der US-Präsident lässt gut 250 Männer und Teenager wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einem venezolanischen Kartell nach El Salvador abschieben. Dafür stützt er sich auf ein Gesetz von 1798 – und ignoriert eine richterliche Anordnung.

Artikel lesen
Das Bild zeigt eine historische Schrift, die die Forderungen und Artikel der Bauern im Bauernkrieg dokumentiert. 02.03.2025
Rechtsgeschichte

500 Jahre Bauernkrieg:

Als Land­wirte noch lernten, sich zu arti­ku­lieren

Die Zwölf Artikel der Memminger Bauernschaft des Jahres 1525 werden als Dokument gefeiert, das bereits auf moderne Menschenrechte vorausweisen soll. Mindestens ebenso sehr führen sie aber in eine sehr fremde Welt und juristische Denkweise.

Artikel lesen
Blick in den Saal bei der 55. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf am 26.02.2024. 28.02.2025
Trump

Trumps Maßnahmen gegen UN-Organisationen:

End­zeit­stim­mung für Men­schen­rechte und nach­hal­tige Ent­wick­lung

Donald Trump tritt aus UN-Abkommen aus, verhängt Sanktionen gegen den IStGH und will Mittel für UN-Gremien streichen. Diese Maßnahmen werden langanhaltende Folgen für die Freiheit und die Menschenrechte haben, ordnet Michaela Lissowsky ein.

Artikel lesen
Ein Polizist in voller Montur und mit Schutzschild 19.02.2025
Bundestagswahl

Juristenverbände kritisieren Migrationswahlkampf:

"Union, FDP, BSW und AfD planen kal­ku­lierten Rechts­bruch"

Bürgerrechtler und Juristen schlagen Alarm: Im Zuge einer radikalisierten Migrationspolitik würden in Deutschland das Recht an sich sowie die Institutionen des Rechtsstaats zunehmend angezweifelt - auch von demokratischen Parteien.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Oppenhoff
Rechts­an­walt (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches...

Oppenhoff , Köln

Logo von GvW Graf von Westphalen
Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches...

GvW Graf von Westphalen , Ber­lin

Logo von Stadt Mannheim
VOLL­JU­RIST*IN ALS SACH­GE­BIETS­LEI­TUNG (M/W/D)

Stadt Mannheim , Mann­heim

Logo von Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)
Voll­ju­rist:in als Da­ten­schutz­ma­na­ger:in (w/m/d)

Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) , Müns­ter

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Logo von Deutscher Gewerkschaftsbund - DGB Bundesvorstand
Re­fe­rats­lei­ter*in (d/w/m) Ab­tei­lung Recht und Viel­falt

Deutscher Gewerkschaftsbund - DGB Bundesvorstand , Ber­lin

Logo von LAFP NRW (Polizei)
Füh­rungs­kraft (m/w/d) in der Lauf­bahn­grup­pe 2.2

LAFP NRW (Polizei) , Düs­sel­dorf

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) für den Be­reich Ver­ga­be­recht und öf­f­ent­li­ches...

CMS Deutschland , Frank­furt am Main

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
11. Weblaw Forum LegalTech - KI und LegalTech im juristischen Alltag (Hybrid)

18.06.2025, Zürich

Logo von Rödl & Partner
Rödl Financial Modeling School: Financial Modeling Basis

11.06.2025, Köln

Fit für das neue RVG – korrekt abrechnen nach dem KostBRÄG 2025

11.06.2025

Unternehmensumwandlungen: Verschmelzung und Spaltung von GmbHs

12.06.2025

Vorbedingungen für konstruktiven Dialog - Verleihung der Mediationspreise 2024

11.06.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH