Wer wirkt im Hintergrund an Gesetzen mit? Eine aktuelle Studie zeigt, welche Lobbyisten den größten Einfluss auf die Gesetzgebung haben. Führend ist der Deutsche Gewerkschaftsbund, doch auch Anwälte dürfen ein Wort mitreden.
Gesetze werden nicht nur von Politikern erdacht. Es sind auch Interessenverbände, Lobbyisten und Institutionen, die ihre Vorschläge einbringen und damit wesentlich mitgestalten dürfen. Eine aktuelle Studie des Tagesspiegel in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) in Leipzig zeigt nun, wer den größten Einfluss hat.
Schon im vergangenen Jahr wurden alle Bundesministerien von den Forschern dazu befragt, wer in der aktuellen Legislaturperiode am häufigsten Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen abgegeben hat, bevor sie in den Bundestag gelangten. Zudem wurden nach Angaben des Tagesspiegel knapp 10.000 Tagesordnungen von Bundestagsausschüssen nach Expertennamen und Verbänden durchsucht. Unter diesen finden sich nach Angaben der Zeitung auch zahlreiche Lobbyisten.
Mit 96 Teilnahmen an Bundestagsausschusssitzungen ist dabei der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) weit vorne, gefolgt vom Bundesverband der Verbraucherzentralen und der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände. Auch Universitäten spielen eine große Rolle, vor allem aber diejenigen, die schon räumlich nah an der Macht sind: Hochschulen aus den Regierungsstandorten Berlin und Bonn liefern den Ausschüssen in aller Regel ihre Expertisen. Hinzu kommen noch andere Sozialverbände, Banken und Kirchen mit ihren jeweiligen Unterverbänden, die ebenfalls gewichtigen Einfluss auf die Projekte der Parlamentarier nehmen.
DAV ist häufiger Ratgeber des Justizministeriums
Auch unter den Interessenvertretern, die von den Ministerien angefragt wurden, liegt der DGB auf Platz eins. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie.
Mit Abstand die meisten Expertisen hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) unter Führung von Heiko Maas (SPD) angefordert, welches in der laufenden Legislaturperiode auch die meisten Gesetzentwürfe einbrachte. Dies erklärt sicherlich auch, warum sich zahlreiche Juristenverbände unter den häufig Angefragten finden.
Neben dem Deutschen Anwaltverein (DAV) sind in der Statistik auch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), der Deutsche Juristinnenbund und der Deutsche Richterbund prominent vertreten. Der DAV liegt bei den Anfragen des BMJV mit 56 abgegebenen Stellungnahmen bis September 2016 sogar auf Platz zwei hinter dem Deutschen Gewerkschaftsbund und gleichauf mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag.
"Die Einschätzungen des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zu Gesetzesvorhaben stoßen bei der Bundesregierung auf starkes Interesse", teilte der DAV dazu mit. "Die Ministerien fragten in der aktuellen Legislaturperiode 92 Experten des DAV zu laufenden Gesetzgebungsverfahren an." Reiner Interessenvertreter will man dort aber nicht sein: "Wir verstehen uns als neutraler Ratgeber", erklärte DAV-Hauptgeschäftsführer Dr. Cord Brügmann. "Uns ist es wichtig, anwaltliches Know-how einzubringen und Gesetzentwürfe auf ihre Praxistauglichkeit hin zu prüfen."
Enge Verflechtung von Verkehrsministerium und Automobilbranche
Kritisch würdigt der Tagesspiegel in seiner Auswertung der Erhebung die mangelnde Beteiligung des Bundesverkehrsministeriums an der Umfrage. Das von Alexander Dobrindt (CSU) geführte Haus war das einzige Ministerium, das die Frage der Forscher nicht beantwortete, es übersandte stattdessen lediglich eine Liste der bearbeiteten Gesetze unter dem Hinweis, es seien "alle relevanten Verbände beteiligt" worden.
Die Zeitung stellte dabei eine Verbindung zu den engen Banden zwischen Union und Automobilbranche her: Die Autolobby habe beste Kontakte bis ins Kanzleramt. So habe Matthias Wissmann, selbst ehemaliger Bundesverkehrsminister und amtierender Präsident des Autoverbandes VDA und Vizepräsident des Lobbyverbandes "Pro Mobilität", in der vergangenen Legislaturperiode auffallend oft die Gelegenheit bekommen, im Bundestag vorzusprechen.
An der Spitze von "Pro Mobilität" steht Eduard Oswald, früherer CSU-Politiker und Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Die frühere Parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrsministerium, Katherina Reiche, wechselte im September 2015 zum Bundesverband kommunaler Unternehmen.
mam/LTO-Redaktion
Einfluss von Verbänden auf die Gesetzgebung: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24327 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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