BVerwG zur OB-Wahl in Bischofswerda: Streit um sexuelle Orientierung des Mitbewerbers geht weiter

06.06.2012

Verbreiten Privatpersonen im Wahlkampf Täuschungen und Lügen, so ist dies kein Wahlfehler. Mit Beschluss vom Dienstag haben die obersten Verwaltungsrichter den Rechtsstreit über die Gültigkeit der Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Bischofswerda in Sachsen wegen eines Verfahrensfehlers an das Sächsische OVG zurückverwiesen.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) habe die Beteiligten nicht auf einen für diese überraschenden rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen und dadurch deren Recht auf rechtliches Gehör verletzt, so das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Das Berufungsurteil habe einen Wahlfehler mit der Begründung bejaht, auch Private seien an den Grundsatz der Freiheit der Wahl gebunden. Sie dürften im Wahlkampf keine Tatsachen behaupten, die unrichtig oder jedenfalls nicht nachweislich richtig seien und den Wählerwillen beeinflussen könnten.

Diese Rechtsauffassung ziehe den Wahlkampfäußerungen Privater wesentlich engere Grenzen als die bisherige Rechtsprechung und die bisher im Verfahren vertretenen Auffassungen. Sie sei deshalb für die Beteiligten überraschend. Sie hätten ohne einen Hinweis des OVG zu dieser Rechtsauffassung und den danach für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten nicht ausreichend Stellung nehmen können (Beschl. v. 05.06.2012, Az. 8 B 24.12).

Amtierender OB bezeichnete Mitbewerber als "schwul"

Der Kläger hatte mit seiner Wahlanfechtung unter anderem geltend gemacht, der amtierende Oberbürgermeister habe vor der Wahl auf einem örtlichen Feuerwehrfest geäußert, der damals verheiratete und mit Ehefrau und Kind zusammen lebende Mitbewerber sei "schwul". Diese Bezeichnung wurde auf einem Flugblatt wiederholt, das der damalige Ortsvorsitzende der Partei des Oberbürgermeisters anlässlich einer Podiumsdiskussion zur Vorstellung der Wahlbewerber verteilte. Der Landkreis Bautzen wies den Einspruch des Mitbewerbers gegen die Gültigkeit der Wahl zurück. Auch die vor dem Verwaltungsgericht (VG) Dresden erhobene Klage blieb erfolglos. Erst im Berufungsverfahren vor dem OVG hatte er Erfolg.

Die Leipziger Richter haben das Berufungsurteil nun aufgehoben und den Rechtsstreit an das OVG zurückverwiesen. Zur Verfahrensbeschleunigung erfolgte die Zurückverweisung ohne Revisionsverfahren. Für eine Zulassung der Revision habe es keinen Anlass gegeben, so das BVerwG. Die Grenzen zulässiger Wahlkampfäußerungen von Amtsträgern und Privaten seien in der bisherigen Rechtsprechung geklärt, soweit es für den konkreten Fall darauf ankommt.

Private Verbreitung von Lügen kein Wahlfehler

Amtsträger seien auch im Wahlkampf an die Wahlrechtsgrundsätze und die Grundrechte gebunden. Sie dürften die Wähler nicht täuschen und müssten das Persönlichkeitsrecht der Bewerber und das Diskriminierungsverbot achten. Sie dürften deshalb einem Bewerber keine von diesem nicht offenbarte sexuelle Orientierung zuschreiben. Private unterlägen dagegen nicht den verfassungsrechtlichen Bindungen. So stelle die private Verbreitung von Täuschungen und Lügen grundsätzlich auch dann keinen Wahlfehler dar, wenn diese sittlich zu missbilligen sind. Ob solche Äußerungen als Beleidigung, üble Nachrede oder gar Verleumdung strafbar sind, sei keine Frage des Wahlrechts.

tko/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerwG zur OB-Wahl in Bischofswerda: Streit um sexuelle Orientierung des Mitbewerbers geht weiter . In: Legal Tribune Online, 06.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6339/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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