Strafrecht: "Erfordert das Beschleunigungsgebot eine Umgestaltung des Strafverfahrens?"

Martin W. Huff

17.09.2010

Der 68. Deutsche Juristentag in Berlin steht bevor. Und wie immer werden in sechs Abteilungen wichtige rechtspolitische und juristische Probleme unserer Zeit diskutiert. In der Abteilung Strafrecht wird das Beschleunigungsgebot thematisiert – zwischen fehlenden Ressourcen und der Regelung über Absprachen im Strafverfahren. Ist die schnellste Erledigung wirklich immer die beste?

Jede Person hat ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das in Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Beschleunigungsgebot hat dabei allein den Schutz des Beschuldigten wegen der mit der Durchführung eines Strafverfahrens verbundenen Belastungen im Blick.

Daneben kann die Straffung des Strafverfahrens aber durchaus auch im öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Strafrechtspflege und ihrer präventiven Wirkung liegen. Die Strafjustiz ist in vielen Bundesländern nach einem Stellenabbau bei gleich bleibender Belastung und einer stetigen Ausweitung und Verkomplizierung des materiellen Strafrechts längst an ihren Belastungsgrenzen angelangt. Allein dank des Einsatzes vieler Richter und Staatsanwälte und eines erheblichen Anteils an abgesprochenen Verfahren können die rechtsstaatlichen Vorgaben an die Strafrechtspflege derzeit noch erfüllt werden.

Die strafrechtliche Abteilung fragt daher: Erfordert das Beschleunigungsgebot eine Umgestaltung des Strafverfahrens? Im Mittelpunkt steht dabei die neue gesetzliche Regelung über Absprachen im Strafverfahren. Diskutiert werden aber auch die von der Rechtsprechung entwickelten Beschränkungen von Verfahrensgarantien wie die Fristsetzung für Beweisanträge. Nicht nur die Strafverteidiger sehen in den verfahrensbeschleunigenden Maßnahmen eine große Gefahr für die Beschuldigtenrechte.

Der Gutachter Prof. Dr. Hans Kudlich (Erlangen/Nürnberg) sieht den Strafprozess in Deutschland von der "Eilkrankheit" befallen. Die schnellere und wirtschaftlichere Erledigung eines Strafverfahrens hält er nicht per se für etwas Gutes. Vielmehr dürfe ein auf die Erforschung der Wahrheit gerichteter und die Beschuldigtenrechte ernst nehmender Strafprozess durchaus Zeit benötigen.

Absprachen im Strafverfahren seien ein effektives und durchaus auch den Beschuldigten schützendes Mittel zur Verfahrensbeschleunigung. Ungeachtet des Diskussionsbedarfs zu Einzelfragen hält der Gutachter die gesetzliche Regelung zur Verständigung im Strafverfahren für gelungen. Demgegenüber sei die von der Rechtsprechung zunehmend forcierte Aushöhlung elementarer Verfahrensgarantien zur Verfahrensverschlankung bedenklich.

Die Referate eines Strafrichters, der Generalbundesanwältin und eines renommierten Strafverteidigers setzen sich kritisch mit den fehlenden Ressourcen der Justiz auseinander. Auch die Frage, ob die Absprachen in Strafverfahren (insbesondere § 257 c StPO) wirklich ein rechtsstaatlich richtiger Weg sind, wird gerade von Seiten der Staatsanwaltschaft und von Verteidigern in den Referaten sehr kritisch gesehen. Ob dies auch die Teilnehmer des Juristentags ähnlich bewerten, darf mit Spannung erwartet werden.

Der Autor Rechtsanwalt Martin W. Huff, Leverkusen, ist Pressesprecher des Deutschen Juristentags.

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Zitiervorschlag

Martin W. Huff, Strafrecht: . In: Legal Tribune Online, 17.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1472 (abgerufen am: 08.10.2024 )

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