Über die Causa Wulff war viel in der Presse zu lesen – darunter immer wieder auch Details, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Wo die undichte Stelle lag, ist unklar, doch einiges spricht dafür, dass die Informationen von der zuständigen Staatsanwaltschaft Hannover weitergegeben worden sein könnten. Nun ermittelt die StA Göttingen wohl gegen die einstigen Wulff-Ermittler.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Göttingen gehen auf eine Strafanzeige des Bonner Rechtsanwalts Dr. Gernot Fritz zurück. Dieser hatte bereits im Juni Anzeige wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und der Verletzung von Privatgeheimnissen durch Amtsträger erhoben, diese später in einem weiteren Schreiben an die Staatsanwaltschaft Braunschweig auch auf die Delikte der Untreue und der Verletzung des Dienstgeheimnisses erstreckt.
Fritz' Vorwurf an die Behörden lässt sich im Wesentlichen in zwei Punkten zusammenfassen. Erstens sei der Aufwand, der bei den Ermittlungen gegen Wulff betrieben wurde, exorbitant hoch gewesen. Die hervorgehobene Stellung als Bundespräsident rechtfertige es zwar, drei- oder vier- oder fünfmal hinzusehen. Tatsächlich sei der Sache jedoch 225 Mal so viel Zeit gewidmet worden, wie einem üblichen Wirtschaftsstrafverfahren. Diese über einen vergleichsweise geringfügigen Anlass geführte Personal- und Materialschlacht sei in der deutschen Geschichte einzigartig, und erreiche die Qualität einer Rechtsbeugung; mit Blick auf die beanspruchte Haushaltskasse zudem auch einer Untreue.
Wurden Interna von den Ermittlern an die Presse weitergegeben?
Zweitens sei davon auszugehen, dass aus dem Kreise der Ermittler – namentlich vier Staatsanwälte, 24 Beamte des Landeskriminalamtes und Generalstaatsanwalt Lüttig – oder aber aus dem niedersächsischen Justizministerium vertrauliche Informationen an die Presse weitergegeben worden seien. Tatsächlich waren während des Prozesses immer wieder Interna nach außen gesickert; die Staatsanwaltschaft Hannover hatte damals zu Bedenken gegeben, dass dies jedoch auch durch Wulffs Verteidiger geschehen sein könnte. Fritz legt in seiner Anzeige jedoch dar, dass in wenigstens zwei Fällen, nämlich bei der Beantragung der Aufhebung von Wulffs Immunität und der Ausdehnung der Anklage auf den Vorwurf der Bestechlichkeit, die Presse bereits vor der Verteidigung informiert worden sei.
Fritz' Argumentation ist nicht lückenlos und erfolgt zum Teil unter Berufung auf nicht-öffentliche, "ihm vorliegende Dokumente". Dennoch hat sie offenbar Wirkung gezeigt. Nach einem Bericht von MDR Info hat inzwischen die Staatsanwaltschaft Göttingen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verletzung von Dienstgeheimnissen aufgenommen. Gegen wen ermittelt werde, habe sie zwar nicht angeben wollen, aber bereits der Tatbestand weist in eine klare Richtung. Dazu passt auch, dass beim niedersächsischen Justizministerium laut MDR Info am 7. August die Ermächtigung zur Aufnahme von Ermittlungen gegen Amtsträger erteilt wurde; diese soll sich ausdrücklich auch auf das Justizministerium selbst erstrecken. Bei den Staatsanwaltschaften in Göttingen und Hannover war am späten Freitagnachmittag für eine Stellungnahme niemand mehr zu erreichen, ebenso wenig beim niedersächsischen Justizministerium.
Anzeigenerstatter war früher stellvertretender Chef des Bundespräsidialamtes
Fritz war früher (unter Roman Herzog, Anm. d. Red.) selbst stellvertretender Chef des Bundespräsidialamtes und hat die den Bundespräsidenten betreffenden Artikel des Grundgesetzes im Bonner Kommentar kommentiert. Nach seiner persönlichen Motivation befragt, erklärte er, er habe das Verfahren gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff von Anfang an mit Interesse und wachsender Skepsis verfolgt. Wulff sei zwar aus freien Stücken zurückgetreten, aber erst in Folge eines gegen ihn betriebenen Verfahrens, das es in dieser Form nie habe geben dürfen – und für welches Fritz Konsequenzen einfordert.
Constantin Baron van Lijnden, Verdacht auf Verletzung von Dienstgeheimnissen: . In: Legal Tribune Online, 19.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13256 (abgerufen am: 08.12.2024 )
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