Stillen im Café, im Museum oder im Landtag - wenn eine Mutter ihrem Baby öffentlich die Brust gibt, führt das immer wieder zu Kontroversen. Explizit rechtlich geregelt ist das auch nicht. NRW-Familienministerin Paul möchte das ändern.
Nordrhein-Westfalens Familienministerin Josefine Paul (Grüne) möchte sich dem Thema des Stillens in der Öffentlichkeit annehmen und wirbt für einen gesetzlichen Anspruch darauf. "Wir werben beim Bund dafür, hier entsprechend tätig zu werden", sagte Paul der Rheinischen Post am Donnerstag. "In jedem Fall würde eine gesetzliche Klarstellung Müttern den Rücken stärken und deutlich machen, dass das Stillen von Kindern ein Grundrecht und gesellschaftlich erwünscht ist."
Stillen in der Öffentlichkeit ist nicht verboten, aber es kommt immer wieder zu Kontroversen, etwa wenn es um das Stillen an besonders belebten und engen Orten wie etwa Gaststätten geht. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages ist bereits 2016 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden. Es soll Klarheit über die juristische Zulässigkeit des Stillens in Cafés und Gaststätten schaffen.
Das Gutachten unterscheidet - ganz nach nach juristischer Manier - zwischen verschiedenen Fallkonstellationen. So werden die Situationen "Gastwirt beanstandet das Stillen nicht", "Gastwirt bestandandet das Stillen, ohne dass eine bewirtungsvertragliche Regelung getroffen wurde" und "Es besteht eine vertragliche Regelung" unterschiedlich bewertet.
Öffentliches Stillen grundsätzlich zulässig
Zur letztgenannten Situation heißt es in dem Gutachten: "Soweit Gastwirt und Mutter über die Zulässigkeit des Stillens eine Vereinbarung (etwa als Nebenvereinbarung im Bewirtungsvertrag) getroffen haben, so ist diese Vereinbarung maßgeblich." Wie viele Mütter sich in Gegenwart eines hungrigen Säuglings regelmäßig Gedanken über eine Still-Vereinbarung mit dem Gastwirt machen, dürfte in der Praxis eine andere Frage sein.
Letztlich kommt das Gutachten jedenfalls zu dem Schluss, dass das Stillen in der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig ist. Damit sei auch das Stillen in Gaststätten rechtlich zunächst unbedenklich. Das Gutachten verweist zudem darauf, dass es in anderen Ländern teilweise ausdrückliche Diskriminierungsverbote zugunsten stillender Mütter gebe.
Es sei allerdings auch das Hausrecht des Gastwirtes zu beachten. In dem Gutachten heißt es dazu: "Von seinem Hausrecht kann der Gastwirt ohne Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot jedenfalls dann relativ freien Gebrauch machen, wenn es noch nicht zu einem Bewirtungsvertrag zwischen Gastwirt und stillender Mutter gekommen ist." Ein Praxisbeispiel: Wenn die Mutter sich stattdessen schon auf einen Platz gesetzt, ein Getränk bestellt und dann das Kind zum Stillen angelegt hat, ist ein Hausverbot gegenüber der stillenden Mutter nur noch bei Vorliegen besonders gewichtiger Sachgründe zulässig.
Zu beachten ist laut dem Gutachten zudem, dass einem gegenüber einer Mutter aufgrund des Stillens ausgesprochenem Hausverbot Diskriminierungsverbote, die sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ergeben, entgegenstehen könnten.
Stillen als Rechtsanspruch des AGG
NRW-Familienministerin Paul argumentierte, dass es zu einer kinder- und familienfreundlichen Gesellschaft gehöre, "dass es Müttern möglich sein muss, in der Öffentlichkeit ihre Kinder zu stillen". Zwar kann nach Ansicht es NRW-Familienministeriums jeder nach dem Hausrecht grundsätzlich frei entscheiden, wem er Zutritt zu seinen Räumen gewährt und verwehrt. Das Hausrecht werde aber begrenzt durch das Gleichbehandlungsgesetz.
Bei ihrer Forderung nach einem Still-Gesetz hat Grünen-Ministerin Paul auch die SPD-Opposition im NRW-Landtag an ihrer Seite. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Lisa-Kristin Kapteinat sagte der Rheinischen Post, es sei "in hohem Maße diskriminierend", das Recht auf Stillen in der Öffentlichkeit zu verweigern. "Um das auch gesetzlich klarzustellen, sollte Stillen als Rechtsanspruch auch in das Antidiskriminierungsgesetz einbezogen werden."
Im NRW-Landtag ist öffentliches Stillen etwa in Ausschusssitzungen längst Normalität. So legte die SPD-Abgeordnete Dilek Engin am Mittwoch ihr Baby im Schulausschuss an. Zuvor hatte das Baby leise gequäkt. Der FDP-Abgeordnete und frühere Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart kommentierte das mit den Worten: "Das sind die schönsten Zwischenrufe."
ku/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
Kontroverse ums Stillen in der Öffentlichkeit: . In: Legal Tribune Online, 15.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49631 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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