StGH sieht nur Verstoß gegen Zitiergebot: Hes­si­sches Ver­samm­lungs­ge­setz ist weit­ge­hend ver­fas­sungs­kon­form

06.03.2025

Hessens umstrittenes Versammlungsgesetz hat nun grünes Licht vom dortigen Staatsgerichtshof bekommen. Nur gegen das Zitiergebot sei verstoßen worden. Aber: Es gab auch zwei Sondervoten - etwa beim Vermummungsverbot.

Hessens neues Versammlungsgesetz ist laut dem Staatsgerichtshof (StGH) des Landes weitgehend verfassungsgemäß. Nur zwei Verstöße gegen das Zitiergebot stellte das Gericht fest und wies ansonsten die Normenkontrollanträge von zwei antragstellenden Fraktionen zurück (Urt. v. 06.03.2025, Az. P.St. 2920 und P.St. 2931). Gegen die Entscheidung ist kein ordentliches Rechtsmittel möglich. 

Auffällig sind zwei Sondervoten: Bei einem Thema haben fünf und bei einem anderen Punkt drei der insgesamt elf Richter eine abweichende rechtliche Ansicht formuliert. Diese wurden allerdings überstimmt.

Geklagt hatten gegen das im April 2023 noch unter Schwarz-Grün in Kraft getretene Landesversammlungsrecht die damaligen Fraktionen von Linke und AfD im Landtag. Das reformierte Gesetz räume Polizei und Behörden zu viele Befugnisse ein und es drohe übermäßige Kontrolle, so die Kritik. Die Linke hatte als Beispiele für eine Verfassungswidrigkeit aus ihrer Sicht die weitreichenden Pflichten der Versammlungsleitung bei Demos zur Erhebung und Mitteilung persönlicher Daten genannt sowie die umfangreichen Möglichkeiten von Bild- und Tonaufnahmen der Polizei und die große Freiheit von Behörden für Verbote und Auflösungen von Demos.

Nachbesserung bis Ende 2025 

Die Versammlungsfreiheit ist garantiert durch Art. 14 der Hessischen Verfassung (HV) und Art. 8 des Grundgesetzes (GG). Die inzwischen schwarz-rote Landesregierung will mit dem Versammlungsfreiheitsgesetz aber etwa gewalttätige und extremistische Demonstranten besser in die Schranken weisen können.

Der StGH rügte aber letztendlich nur zwei Verstöße gegen das Zitiergebot (Art. 63 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 HV): Beim Thema Sicherstellung von Gegenständen wie etwa einem Schlagstock bei Demos sowie bei der Einziehung werde nicht der entsprechende Wortlaut zum Grundrecht der Eigentumsgarantie in der Landesverfassung zitiert. Bis spätestens Ende 2025 müsse es hier eine verfassungsgemäße Neuregelung geben.

Uneinigkeit bei Verbot von Vermummung

Eines der zwei Sondervoten bezieht sich auf das Verbot von Schutzausrüstung und Vermummung im Versammlungsgesetz. Gerichtspräsident Wilhelm Wolf sagte gemäß dem Urteil, auch dies sei verfassungskonform. Vizepräsidentin Ute Sacksofsky erklärte dagegen auch im Namen von zwei Kollegen zu einem der Sondervoten, es sei etwa nicht nachgewiesen, dass vermummte Demonstranten "hemmungsloser agieren" würden. Und auch eine Vermummung aus Angst vor Erkennbarkeit vor politischen Gegnern sei zum Beispiel nachvollziehbar.

Das zweite Sondervotum bezieht sich auf Beschränkungen von Versammlungen unter freiem Himmel auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung. Die öffentliche Ordnung sei kein verfassungsrechtlich verankertes Rechtsgut und dürfe entsprechend nicht zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit herangezogen werden, so die fünf abweichenden Richter.

Innenminister Poseck: "Entscheidung bringt Rechtssicherheit"

Der ehemalige linke Landtagsabgeordnete Axel Gerntke sagte nach der Urteilsbegründung: "Die Polizei darf viel und die Demonstrierenden dürfen wenig." Sie brauchten mehr Rechte. Gerade das eine Sondervotum mit fünf gegen sechs Richter zeige, dass selbst Juristen sich hier nicht ganz einig seien, was noch als verfassungskonform zu werten sei.

Der AfD-Landtagsabgeordnete Patrick Schenk kritisierte, ob eine Demo zulässig sei, "werden weiterhin verstärkt Versammlungsbehörden und Verwaltungsgerichte entscheiden müssen, weil die Ordnungsbehörden mit dem Gesetz in seiner aktuellen Form eine unklare Entscheidungsgrundlage haben".

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) befand: "Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs bringt Rechtssicherheit. Die Versammlungsfreiheit ist und bleibt ein hohes Gut, gleichzeitig sind Einschränkungen zum Schutz anderer Rechtsgüter zulässig."

dpa/pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

StGH sieht nur Verstoß gegen Zitiergebot: . In: Legal Tribune Online, 06.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56746 (abgerufen am: 19.04.2025 )

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