Druckversion
Mittwoch, 19.11.2025, 12:25 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/sterbehilfe-neuregelung-gesetzentwuerfe-abgeordnete-bundestag-debatte-aerzte-freier-wille-toedliche-medikamente-beratung
Fenster schließen
Artikel drucken
44778

Bundestag zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe: Geset­zes­pläne kommen erstmal zu spät

22.04.2021

Ärztin hält die Hand eines Patienten

(c) H_Ko - stock.adobe.com

In einem spektakulären Urteil kippte das BVerfG im Jahr 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Bis jetzt fehlt eine neue Regelung. Der Bundestag hat nun kontrovers über verschiedene Gesetzentwürfe diskutiert.

Anzeige

Der Bundestag hat sich am Mittwoch mit dem sensiblen Thema der Sterbehilfe beschäftigt. In einer Orientierungsdebatte diskutierten die Abgeordneten kontrovers, wie eine neue gesetzliche Regelung ausgestaltet sein könnte. Das Parlament stehe vor einer "schweren Entscheidung", sagte der frühere Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

Zahlreiche Abgeordnete warnten davor, Suizid zu einer neuen Normalität des Sterbens werden zu lassen. Außerdem forderten sie nahezu einhellig den flächendeckenden Ausbau von Hospiz- und Palliativangeboten, um schwer kranken Menschen ein schmerzfreies und würdevolles Lebensende zu ermöglichen.

Bereits im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht das seit Dezember 2015 bestehende Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe gekippt und § 217 StGB für nichtig erklärt. "Geschäftsmäßig" bedeutet dabei "auf Wiederholung angelegt". Zur Begründung hatten die Karlsruher Richter angeführt, dass die Strafvorschrift "die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert". Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Das gelte für jeden Menschen und nicht nur für unheilbar Kranke. Aktive Sterbehilfe, also Tötung auf Verlangen, etwa durch eine Spritze, blieb verboten.

Im Januar 2021 hatten Abgeordnete unterschiedlicher Parteien Entwürfe vorgelegt, um das Recht der Sterbehilfe neu zu regeln. Die drei Vorhaben unterscheiden sich teilweise deutlich. Sie gehen aber alle davon aus, dass Grundlage eines selbstbestimmten Sterbewunschs ein autonom gebildeter, freier Willen ist. Und alle sehen vor, dass sich die Sterbewilligen vorher ärztlich beraten lassen und über Handlungsalternativen aufgeklärt werden. Außerdem müssten ausreichend wohnortnahe Beratungsstellen und Hilfsangebote zur Verfügung stehen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) brachte einen "Arbeitsentwurf" in die Orientierungsdebatte ein. Seiner Ansicht nach solle die Hilfe zur Selbsttötung mit einem neuen Straftatbestand im Paragraf 217 unter Strafe stehen und die Hürden zur assistierenden Selbsttötung sehr hoch bleiben. Für ihn sei klar: "Es darf unter keinen Umständen einen sanften Druck geben, gesellschaftlich oder auch im privaten Umfeld, Angebote der Sterbehilfe auch annehmen zu sollen". Er plädierte für "einen regulatorischen Rahmen mit klar definierten Ausnahmen, der Ärztinnen und Ärzte eindeutig vor Strafverfolgung schützt, wenn sie Sterbehilfe leisten".

Der CDU-Politiker Ansgar Heveling sagte: "Unsere Verfassung ist ein Grundgesetz für das Leben und nicht für das Sterben. Und das muss sich in der gesamten Rechtsordnung widerspiegeln."

Abgeordnete der SPD sowie der Opposition sprachen sich gegen ein grundsätzliches Verbot jeglicher Sterbehilfe aus. "Wir sollten uns als Gesetzgeber an die Seite der Menschen stellen, die selbstbestimmt sterben möchten. Ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben darf es nicht nur auf dem Papier geben", sagte Katrin Helling-Plahr von der FDP. 

Die Grünen-Politikerin Renate Künast forderte einen "klaren rechtssicheren Weg" für die Sterbehilfe. Denn: "Sterbehilfe und Beihilfe findet statt. Vereine gehen in Altersheime und beraten über das Recht am Ende des Lebens. Ärztinnen und Ärzte sind damit konfrontiert."

Allerdings müssten Sterbewillige vor Sterbehilfeorganisationen geschützt werden: Helge Lindh von der SPD verlangte, Sterbehilfeorganisationen, "die es gegen Bezahlung machen, aus dem Weg zu räumen". Ziel müsse es sein, legale Wege zum Suizid zu schaffen.

Dagegen sagte der AfD-Abgeordnete Volker Münz: "Der assistierte Suizid darf nicht zu einer staatlich geregelten Art des Sterbens werden. Er darf nicht zu einer Normalität werden." Sein Parteikollege Norbert Kleinwächter warnte: "Je verfügbarer der Tod wird, desto häufiger wird er auch gesucht werden."

Dass der Bundestag bis zur Wahl im September 2021 ein neues Gesetz beschließt, ist indes unwahrscheinlich. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte sich kurz nach dem Karlsruher Urteil noch zuversichtlich gezeigt. Seitdem ist aber mehr als ein Jahr vergangen und bis zum Ende der Wahlperiode sind nur noch vier Sitzungswochen vorgesehen. "Es ist nicht mein Eindruck, dass wir das in dieser Wahlperiode noch mit einem neuen Gesetz abschließen können", sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dann müsste sich der nächste Bundestag des Themas von Neuem annehmen.

dpa/fkr/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Bundestag zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe: . In: Legal Tribune Online, 22.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44778 (abgerufen am: 19.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Öffentliches Recht
    • Ärzte
    • Grundrechte
    • Medizin
    • Sterbehilfe
    • Straftaten
    • Suizid
Ein Zahnarztstuhl in ekelhaftem Rosa 17.11.2025
Schadensersatz

Patient haftet nicht für beschädigten Zahnarztstuhl:

"Übliche Bewe­gungen im Rahmen des Sich-bequem-Machens"

Zahnarzt verklagt Patienten: Weil der so groß und ungeschickt sei, habe er den Behandlungsstuhl zerstört. Das AG München sieht aber kein Verschulden. Ein Zahnarztstuhl müsse aushalten, dass es sich auch große Menschen auf ihm bequem machen.

Artikel lesen
Im OP Saal wird ein Skapell angereicht. 13.11.2025
Skurriles

"Ich wollte ihm etwas Gutes tun":

Mann wegen Penis-Ampu­ta­tion ver­ur­teilt

Ein Mann wurde in Österreich zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er in einem Berliner Sado-Maso-Studio bei einer Penis-Amputation mitwirkte. Sich selbst verstümmelte er auch.

Artikel lesen
Versammlung der Piusbruderschaft. 13.11.2025
Versammlungen

BVerfG zu Grenzen der Versammlungsfreiheit:

Gegen­de­mon­s­t­ra­tion ja – Voll­b­lo­c­kade nein

Eine Sitzblockade als geschützte Versammlung? Ja – aber nicht, wenn sie eine andere Versammlung komplett lahmlegt. Das BVerfG hält die Verurteilung eines Gegendemonstranten zu einer Geldstrafe für verfassungsgemäß.

Artikel lesen
Feldjacken der Bundeswehr hängen an einer Kleiderstange. 13.11.2025
Wehrpflicht

Einigung über Wehrdienst nach langem Streit:

Erstmal kein Los­ver­fahren, dafür aber verpf­lich­tende Mus­te­rung

Nach langem Streit über den neuen Wehrdienst – insbesondere über ein Losverfahren – haben Union und SPD eine Einigung erzielt. Vorgesehen sind eine verpflichtende Musterung, Zielmarken und eine Bedarfswehrpflicht, falls Freiwillige fehlen.

Artikel lesen
Die 4. Kammer des VG Berlin unter Vorsitz von Stephan Groscurth (M.) mit den Prozessbeteiligten in Saal B129 13.11.2025
Gaza

Klagen gegen Waffenexporte an Israel unzulässig:

Zu früh und gleich­zeitig zu spät

Fünf Palästinenser aus Gaza klagten beim VG Berlin gegen Waffenlieferungen an Israel. Es schien der erste große Test zu werden, wie sich das Ramstein-Urteil des BVerfG auf solche Klagen auswirkt. Doch das Gericht nahm einen anderen Ausweg.

Artikel lesen
Christina Block im Vordergrund, Gerhard Delling im Hintergrund 11.11.2025
Prominente

Block-Prozess vorm Landgericht Hamburg:

Warum die Vor­sit­zende der Ste­ak­house-Erbin mit Haft­be­fehl drohte

Im Block-Prozess dreht sich an Tag 21 alles um die mysteriöse israelische Sicherheitsfirma, massive Zweifel an IT-Warnungen und eine scharfe Ansage der Vorsitzenden: Christina Block geht in Haft, wenn sie weiter Kontakt zu Zeugen hat.

Artikel lesen
lto karriere logo

Deine Karriere beginnt hier.

Registrieren und nie wieder einen Top-Job verpassen

logo lto karriere
Jetzt registrieren bei LTO Karriere

Finde den Job, den Du verdienst 100% kostenlos registrieren und Vorteile nutzen

  • LTO Job Matching: Finde den Job & Arbeitgeber, der zu Dir passt.
  • Jobs per Mail: Verpasse keine neuen Job-Angebote mehr.
  • One-Klick Bewerbung: Dein Klick zum neuen Job, einfach und schnell.
Das Passwort muss mindestens 8 Zeichen lang sein und mindestens einen Großbuchstaben, einen Kleinbuchstaben, eine Zahl und ein Sonderzeichen enthalten (z.B. #?!@$%^&*-).
Pflichtfeld *

Nur noch ein Klick!

Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte klicke auf den Bestätigungslink in dieser E-Mail, um Deine Anmeldung abzuschließen.

Weitere Infos & Updates einfach und kostenlos direkt ins Postfach.

LTO Karriere Newsletter

Das monatliche Update mit aktuellen Stellenangeboten & Karriere-Tipps.

LTO Daily

Jeden Abend um 18 Uhr die wichtigsten News vom Tag.

LTO Presseschau

Jeden Morgen um 7:30 Uhr die aktuelle Berichterstattung über Recht und Justiz.

Pflichtfeld *

Fertig!

Um die kostenlosen Nachrichten zu beziehen, wechsle bitte nochmal in Dein Postfach und bestätige Deine Anmeldung mit dem Bestätigungslink.

Du willst Dein Bewerberprofil direkt anlegen?

Los geht´s!
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von LAFP NRW (Polizei)
Füh­rungs­kraft (m/w/d) in der Lauf­bahn­grup­pe 2.2

LAFP NRW (Polizei) , Düs­sel­dorf

Logo von Wolters Kluwer
Ju­rist als Pro­dukt­ma­na­ger Print & On­li­ne (m/w/d)

Wolters Kluwer , Hürth

Logo von Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland(KMK)
Re­fe­rats­lei­tung Voll­ju­rist / Voll­ju­ris­tin (m/w/d)

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland(KMK) , Bonn

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Re­fe­ren­da­re | Mün­chen

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Mün­chen

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
As­so­cia­tes (m/w/d) – Öf­f­ent­li­ches Recht mit Fo­kus En­er­gie- und...

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Ber­lin

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Straf­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/Re­fe­ren­dar (m/w/d)

REDEKER SELLNER DAHS , Leip­zig

Logo von Schlun & Elseven Rechtsanwälte PartG mbB
Rechts­an­walt (w/m/d) Straf­recht

Schlun & Elseven Rechtsanwälte PartG mbB , Köln

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von Flick Gocke Schaumburg
MeeT Our Advisors - Hamburg

19.11.2025, Hamburg

Aktuelles Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht

19.11.2025

Logo von Flick Gocke Schaumburg
Meet Our Lawyers Bonn - Transaktionen / M&A

24.11.2025, Bonn

Logo von Fachseminare von Fürstenberg
Die RVG-Reform 2025 in der Praxis – mit Norbert Schneider

19.11.2025

Handlungsoptionen zur Betriebsratswahl

20.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH