Hat die AfD für ihre Landesliste in Niedersachsen rechtswidrig Plätze verkauft? Und muss deshalb vielleicht die ganze Landtagswahl von 2022 wiederholt werden? Der Staatsgerichtshof prüft zwei entsprechende Anträge.
Der Niedersächsische Staatsgerichtshof (StGH) will Anfang Dezember darüber entscheiden, ob die Landtagswahl 2022 wiederholt werden muss. Der Staatsgerichtshof in Bückeburg verhandelte heute zwei Anträge zu Wahleinsprüchen, die der Landtag vor gut einem Jahr zurückgewiesen hatte. Im Mittelpunkt stehen dabei Vorgänge auf Seiten der AfD, die bei der Wahl 18 Sitze errungen hatte.
Der Landtag hatte im September 2023 insgesamt 21 Einsprüche gegen die Landtagswahl zurückgewiesen. Die Abgeordneten folgten damit einstimmig einer Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses des Landtags. Nun beschäftigt die Sache den StGH.
Es geht zum einen um den Vorwurf, die AfD habe aussichtsreiche Listenplätze über eine sogenannte "Kriegskasse" des heutigen AfD-Landeschefs Ansgar Schledde verkauft und zudem formale Fehler bei der Aufstellung der Liste begangen. Die AfD weist das zurück. Zum anderen monierte ein weiterer Antragsteller, der Zuschnitt der Wahlkreise habe nicht mehr den Bevölkerungsverhältnissen in Niedersachsen entsprochen.
Rechtswidrige Landesliste der AfD?
Zwei Mitglieder der FDP, die bei der Wahl aus dem Landtag geflogen war, halten es für erwiesen, dass die Landesliste der AfD rechtswidrig zustande gekommen sei. Sie beziehen sich dabei insbesondere auf Aussagen des früheren AfD-Landtagsabgeordneten Christopher Emden, der die AfD im Juli 2022 verlassen hat.
AfD-Mitglieder hätten demnach vor der Aufstellung der Liste Geld für einen hohen Listenplatz auf ein privates Konto des damaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden Schledde gezahlt. Delegierte der Aufstellungsversammlung wiederum hätten von diesem Konto Zahlungen erhalten. Das sei, so die Antragsteller, zutiefst undemokratisch. Alle 18 Landtagsmitglieder der AfD waren über die Liste ins Parlament eingezogen - einer von ihnen hat die Fraktion mittlerweile verlassen.
Der Staatsgerichtshof präsentierte nun eine Übersicht der Einzahlungen von sechs aktuellen AfD-Landtagsabgeordneten auf das fragliche Konto. Diese zahlten demnach in Summe mehr als 14.000 Euro auf das Konto ein, teils mit Verwendungszwecken wie "Ausgleich Aktionskasse" oder "K-Kasse". Fünf dieser sechs Abgeordneten hatten im April gemeinsam erklärt: Richtig sei, dass es private Zahlungen gegeben habe. Falsch sei aber, dass dieses Geld für Parteizwecke verwendet worden sei.
AfD-Fraktionschef Klaus Wichmann sagte nach der Verhandlung des Staatsgerichtshofs, es habe "keine wahlrechtlich relevanten Unstimmigkeiten" gegeben. “Wir sehen der Urteilsverkündung gelassen entgegen.”
Möglicher AfD-Satzungsverstoß und falscher Zuschnitt der Wahlkreise?
In einem weiteren Strang desselben Verfahrens geht es um die Frage, ob die Aufstellung der AfD-Landesliste formal korrekt abgelaufen ist. Denn über die Landesliste entschied eine Delegiertenversammlung der AfD anstelle einer Mitgliederversammlung. Nach Ansicht der beiden Beschwerdeführer sah die Satzung des AfD-Landesverbands diese Möglichkeit zu dem Zeitpunkt jedoch gar nicht vor. Damit sei der verfassungsrechtliche Grundsatz der Binnendemokratie in der Partei missachtet worden.
Im zweiten Wahlprüfungsverfahren argumentiert der Antragssteller, der Zuschnitt der Wahlkreise hätte vor der Wahl deutlich geändert werden müssen, weil im Nordwesten Niedersachsens mittlerweile deutlich mehr Menschen lebten als noch im Jahr 2000. Im östlichen Teil des Landes seien die Einwohnerzahlen dagegen gesunken. Die Einteilung der Wahlkreise habe damit nicht mehr den Bevölkerungsverhältnissen entsprochen.
Eine Entscheidung soll voraussichtlich am 9. Dezember ergehen.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Niedersächsischer Staatsgerichtshof verhandelt: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55686 (abgerufen am: 07.12.2024 )
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