Ermittlungen in Sylt-Fall eingestellt: Staats­an­walt­schaft sieht keine Volks­ver­het­zung in Sylt-Fall

28.04.2025

Vor rund einem Jahr grölen Gäste in einer Bar auf Sylt rassistische Gesänge zur Melodie des Party-Hits "L'amour toujours". Ein Video löste bundesweite Empörung aus. Nun werden die strafrechtlichen Ermittlungen weitgehend eingestellt. 

Gäste der Pony-Bar in Kampen sollen im vergangenen Jahr Parolen wie "Deutschland den Deutschen" und "Ausländer raus!" gesungen haben, woraufhin unter anderem wegen des Verdachts auf Volksverhetzung ermittelt wurde. 

Die Verfahren wegen Volksverhetzung gegen zwei Männer und eine Frau wurden eingestellt. Gegen einen dritten Mann, der in einem damals viral verbreiteten Video einen "winkenden Gruß" mit ausgestrecktem Arm sowie die Andeutung eines "Hitlerbärtchens" zeigt, beantragte die Staatsanwaltschaft ihn mittels Strafbefehl zu verwarnen. Im Rahmen der Bewährungsauflagen wurde dem Mann auferlegt, 2.500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ist damit der Straftatbestand der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a des Strafgesetzbuches (StGB) erfüllt. Auch hier wurde das Verfahren wegen Volksverhetzung eingestellt.  

Nach Abschluss der Ermittlungen sah die Staatsanwaltschaft Flensburg keinen ausreichenden Beleg dafür, dass die gerufenen Parolen den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Weder der Inhalt der Aussagen noch die Umstände der Tat hätten klar darauf hingedeutet, dass dadurch Hass oder Feindseligkeit innerhalb der Bevölkerung angestachelt werden sollten – eine Voraussetzung laut höchstrichterlicher Rechtsprechung. 

"Ausländer raus" als Volksverhetzung?

Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert. 

Das Bundesverfassungsgericht geht im Rahmen seiner Meinungsfreiheitsjudikatur deutlich restriktiv vor: Zur Bejahung des Straftatbestands der Volksverhetzung muss die Menschenwürde angegriffen werden. Ein Angriff auf die Menschenwürde ist nur dann gegeben, wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird (BVerfG Beschl. v. 04.02.2010 - 1 BvR 369/04). Nur beim Hinzutreten weiterer Umstände stellt die Parole "Ausländer raus" einen Angriff auf die durch § 130 StGB geschützte Menschenwürde dar. Solche Umstände stellt die Verwendung von NS-Kennzeichen dar, z.B. das Zeigen des Hitlergrußes.

Auch das Landeskriminalamt (LKA) in Berlin hat im März 2025 die Parole "Ausländer raus" für nicht strafbar gehalten, wenn keine Begleitumstände hinzukämen. In Betracht kämen laut LKA beispielsweise der Hitlergruß oder das Mitführen einer Reichskriegsflagge.

Bundesweite Empörung über Vorfall

Das Geschehen, das auf einem kurzen Video festgehalten und in den sozialen Medien verbreitet wurde, soll am Pfingstsamstag 2024 auf der Terrasse der bekannten Pony-Bar entstanden sein. Wenige Tage später machte die Polizei den Vorfall öffentlich. Das Video löste bundesweit Entsetzen und Schlagzeilen aus. 

Gigi D'Agostino, der Künstler hinter "L'amour toujours", distanzierte sich von der Nutzung seines Liedes und betonte, dass es eine Botschaft der Liebe vermittle. Der Missbrauch des Songs in diesem Zusammenhang war kein Einzelfall – in den Monaten zuvor war es wiederholt zu ähnlichen Vorfällen gekommen, unter anderem in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern.

dpa/pa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Ermittlungen in Sylt-Fall eingestellt: . In: Legal Tribune Online, 28.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57076 (abgerufen am: 24.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen