Warum kam es zur Loveparade-Tragödie mit 21 Toten und Hunderten Verletzten? Die Staatsanwaltschaft Duisburg will weiterhin eine öffentliche Hauptverhandlung. Und holt nun ein weiteres Gutachten ein. Damit könnte sie sogar erneut Anklage erheben.
Sechs Jahre nach dem Loveparade-Unglück mit 21 Toten in Duisburg will die Staatsanwaltschaft mit einem zusätzlichen Gutachten ihre Anklagevorwürfe untermauern. Ein weiterer Sachverständiger soll sich mit den Ursachen der Tragödie befassen, wie die Duisburger Strafverfolger am Dienstag ankündigten. Dadurch wollen sie sicherstellen, "dass der Weg der notwendigen juristischen Aufarbeitung der Loveparade-Tragödie in einer öffentlichen Hauptverhandlung so schnell wie möglich beschritten werden kann."
Die Staatsanwaltschaft Duisburg erhob im Februar 2014 Anklage gegen zehn Mitarbeiter der Stadt Duisburg und der Veranstaltungsfirma Lopavent. Anfang April 2016 ließ das Duisburger Landgericht (LG) die Anklage aber nicht zur Hauptverhandlung zu. Die Richter störten sich vor allem am Gutachten eines britischen Experten, dem zentralen Beweismittel der Staatsanwaltschaft. Sie halten dieses für gleich in mehrerer Hinsicht fehlerhaft und gehen zudem davon aus, dass er im Prozess wegen Befangenheit abgelehnt werden müsste. Ein neues Gutachten in Auftrag zu geben, lehnte das Gericht ab, weil es nur ergänzende Ermittlungen veranlassen, nicht aber gänzlich neue Beweismittel einholen könne. "Ermittlungen größeren Umfangs zur Komplettierung eines von der Staatsanwaltschaft unzulänglich belegten Anklagevorwurfs sind gesetzlich nicht vorgesehen", hieß es im April.
Neue Anklage wäre möglich - theoretisch
Die Staatsanwaltschaft hält die Kritik für nicht berechtigt, ihre bereits eingereichte sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des LG will sie nach Angaben einer Sprecherin gegenüber LTO binnen vier Wochen begründen. Die Prüfung der Beschwerde, die noch begründet werden muss, wird aber nach Auskunft des OLG voraussichtlich mehrere Monate dauern.
Auch das zusätzliche Sachverständigengutachten dürfte Wochen, wenn nicht Monate in Anspruch nehmen. Nach Angaben ihrer Sprecherin gibt die StA das Gutachten nicht zur Vorlage im Beschwerdeverfahren in Auftrag, sondern sie geht davon aus, dass die Beschwerde gestützt auf die bisherigen Beweismittel erfolgreich sein wird. Wenn aber auch das OLG die Beschwerde zurückweisen würde, weil es das zentrale Gutachten für fehlerhaft hält, sich aber daran gehindert sieht, weitere ergänzende Beweismittel einzuholen, könnte die Staatsanwaltschaft theoretisch, gestützt auf ein neues Beweismittel, erneut Anklage erheben. Allzu realistisch ist dieses Szenario wohl schon rein zeitlich kaum, weil viel dafür spricht, dass bei Vorliegen eines weiteren Gutachtens das OLG dieses bei seiner Entscheidung über die sofortige Beschwerde nicht unberücksichtigt lassen würde.
Betroffene und Hinterbliebene mahnten mehrfach eindringlich eine weitergehende Aufarbeitung der Tragödie an. Der Prozess müsse stattfinden, damit zur Sprache komme, was an dem Tag geschah, forderte beispielsweise die Stiftung "Duisburg 24.7.2010".
Mit Materialien von dpa
Pia Lorenz, Während des Beschwerdeverfahrens: . In: Legal Tribune Online, 21.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19742 (abgerufen am: 02.12.2024 )
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