Der Deutsche Anwaltstag in Straßburg hat begonnen, schon bei der Eröffnungsveranstaltung ging es um Fundamentales. Nicht nur die Bundesjustizministerin behandelte neben der Anwaltsvergütung auch die Unschuldsvermutung - und die Medien, die sie häufig verwässert hätten. Gut, dass gleichzeitig der DAV-Pressepreis für herausragende publizistische Beiträge verliehen wurde.
Nach den Willkommensgrüßen der französischen Gastgeber kamen die Sachthemen, die nicht nur der Anwaltschaft am Herzen liegen, in beinahe allen Begrüßungsreden schnell auf den Tisch.
Die deutsche Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger konzentrierte sich auf die Grundrechte, die Grundlage des Rechtsstaats seien. Sie begrüßte vor allem die Schwerpunktveranstaltung zum Thema Grundrechtsschutz in Europa. "Ein Irrgarten für Anwälte und Mandanten", wie sie in Anspielung auf den Untertitel der Veranstaltung hinzufügte, sei der europäische Grundrechtsschutz jedoch nicht, "auch wenn wir mit dem nationalen Verfassungsrecht, dem Recht der Europäischen Union und der Europäischen Menschenrechtskonvention tatsächlich verschiedene Gewächse mit unterschiedlichem Wuchs haben," so die Ministerin.
Sowohl Leutheusser-Schnarrenberger als auch der nach ihr referierende Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Prof. Dr. Wolfgang Ewer, sprachen sich - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - für eine Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung aus.
Mehr Frauen und weniger Diskriminierung für Syndici
Ewer widmete sich speziell anwaltlichen Themen, die sich auch im Fachprogramm des Anwaltstages wieder finden. Die umstrittene Behandlung der Syndikusanwälte und die Erhöhung des Frauenanteils in der Anwaltschaft waren dabei nur einige der von ihm behandelten Punkte. Trotz einer Steigerung des Anteils der Frauen in Kanzleien werde die Anwaltschaft sich "verstärkt darum bemühen müssen, auch unter den Frauen einen größeren Teil der besten Köpfe für den Anwaltsberuf zu begeistern und nicht der Justiz und der öffentlichen Verwaltung zu überlassen."
Während man auf diesem Feld Grenzen abbauen müsse, forderte Ewer, dass es zwischen den unterschiedlichen Facetten der anwaltlichen Berufsausübung keine Grenzen geben dürfe. "Natürlich sind auch Unternehmensanwälte Anwälte, mit denselben Pflichten und denselben Rechten, die allen Anwälten obliegen", so der Präsident des DAV, der explizit auch das derzeit umstrittene Recht der Syndici einforderte, innerhalb des eigenen berufsständischen Versorgungswesens die eigene Altersvorsorge zu treffen.
Aber es ging nicht nur um berufsbezogene Themen. Die Unschuldsvermutung fand, zum Teil unter unverhohlener Bezugnahme auf das gerade erst abgeschlossene Mannheimer Strafverfahren wie auch auf das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, gleich mehrfach Eingang in die Eröffnungsveranstaltung. Die Bundesjustizministerin lobte die Mannheimer Richter, die ihrer Verantwortung gerecht geworden seien und ein unabhängiges Urteil gefällt hätten.
Die Unschuldsvermutung vor Gerichten und Medien
Und sie ließ es sich nicht nehmen, auch die Medien mit einzubeziehen: "Die Unschuldsvermutung ist in Gefahr, wenn Medien ihr Urteil direkt wie indirekt fällen, lange bevor die Richter gesprochen haben. Jeder Beschuldigte hat das Recht, auch in den Medien so lange als unschuldig behandelt zu werden, bis seine Schuld erwiesen ist."
Dass es auch anders geht, zeigte die Verleihung des DAV-Pressepreises, mit dem der Deutsche Anwaltverein alle zwei Jahre gelungene Veröffentlichungen prämiert. Viele der diesmal bewerteten Beiträge betrafen den Bereich der Strafverfolgung und den Umgang mit Beschuldigten oder Verurteilten, so Rechtsanwalt Felix Busse, Vorsitzender des DAV-Pressepreisausschusses.
"Wir brauchen gerade in der (rechts-)politischen Berichterstattung Beiträge, die ein unverzichtbares Gegengewicht gegen die Vereinfachungen, Verzerrungen und Verfälschungen bilden, mit denen ein bunter Medienwald das Verständnis vieler Bürger für die Grundwerte trübt, und die einem rechtsstaatlichen Zusammenleben eigen sein müssen".
Der DAV-Pressepreis: Differenzierung gegen die Angst-Berichterstattung
Ausgezeichnet wurden Gisela Friedrichsen (SPIEGEL) im Bereich Printmedien für ihre "seit Jahrzehnten kontinuierliche Berichterstattung auf allerhöchstem Niveau", bei der sie lebendig und einfühlsam schildere und sich eine eigene Meinung bilde, ohne sich vor den Karren von Verfahrensbeteiligten spannen zu lassen.
Der Pressepreis des DAV für den Bereich Hörfunk ging an Daniela Schmidt-Langels und Dr. Otto Langels für das Feature "Unschuldig hinter Gittern. Verhängnisvolle Verhöre, falsche Geständnisse und Fehlurteile", gesendet im Deutschlandfunk. Der Beitrag schildere anhand von drei Fällen erwiesene unrichtige Geständnisse in einer Erzählweise fast wie in einem Hörspiel "ungeheuer fesselnd und so nachvollziehbar, als könnte einem dies selbst passieren", begründete Busse die einstimmige Entscheidung der Jury.
Im Bereich Fernsehen zeichnete der DAV Dr. Norbert Siegmund (RBB) aus für die TV-Dokumentation "Wegsperren für immer", eine Koproduktion von RBB und WDR. Mit der Dokumentation zum Thema stark vorbelasteten Thema Sicherungsverwahrung gelinge es ihm, so Busse, "der reinen Angstberichterstattung einiger Boulevardmedien ein differenziertes Bild entgegenzusetzen".
pl/LTO-Redaktion
Special Anwaltstag: . In: Legal Tribune Online, 02.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3435 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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