Affäre Wendt: Son­der­er­mittler sehen Ver­ant­wor­tung im Minis­te­rium

20.04.2018

Besserer Job, mehr Geld und zudem keine Verpflichtungen. Im Fall des freigestellten Polizeigewerkschafters Wendt ging das über Jahre unbeanstandet auf Staatskosten. Das haben Sonderermittler nun nachgewiesen.

Bestnoten, Beförderung und Top-Gehalt ohne Verpflichtungen - in der Affäre um Polizeigewerkschafter Rainer Wendt sehen Sonderermittler viele Versäumnisse beim Innenministerium in Nordrhein-Westfalen. Betroffen sind mehrere Regierungen. Das geht aus dem Abschlussbericht hervor, den NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Fachausschuss des Düsseldorfer Landtags vorgestellt hat.

Wendt hatte demnach bis zu seiner Pensionierung im Februar 2017 elf Jahre lang "keinen Dienst verrichtet". Dafür habe es keine Rechtsgrundlage gegeben, stellten die Ermittler fest. Dass der frühere Landes- und noch amtierende Bundeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) 2010 auch noch befördert worden sei, sei ebenfalls rechtswidrig gewesen. Ein Regressverfahren komme dennoch nicht in Betracht.

Dagegen sei dem Innenministerium, das frühe interne Mahnungen ignoriert habe, solche "Arrangements" zu beenden, mindestens ein Organisationsversagen vorzuwerfen. Dass Wendt ab 2009 nicht mal mehr regelmäßig an Sitzungen des Polizeipersonalrats teilgenommen habe - ab 2011 gar nicht mehr - könne möglicherweise als Dienstpflichtverletzung gewertet werden. Die großzügig tolerierte Freistellung von der eigentlichen Polizeiarbeit könne Wendt dagegen nicht als entschuldigtes Fernbleiben vom Dienst angelastet werden. 

Reul legte dem Innenausschuss unter Verweis auf den Daten- und Persönlichkeitsschutz vieler Beteiligter lediglich einen Kurzbericht, weitestgehend ohne Namen verantwortlicher Personen, vor. Die Opposition kritisierte das Verfahren. Unter diesen Umständen müsse zur vollständigen Aufklärung die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geprüft werden, sagte die Grünen-Abgeordnete Verena Schäffer. Reul versprach, dem Ausschuss den vollständigen Bericht zur Verfügung zu stellen, falls es dafür ein rechtssicheres Verfahren gebe.

Ministerium griff Hinweise nicht auf

Der Abschlussbericht rückt gleich mehrere Innenminister verschiedener Regierungskonstellationen in ein schlechtes Licht. Wendts vollständige Dienstbefreiung plus Beförderung fielen in die 14. Legislaturperiode, stellen die Sonderermittler fest. Das fällt in die Amtszeit der schwarz-gelben NRW-Regierungskoalition unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und Innenminister Ingo Wolf (FDP) von 2005 bis 2010.

Allerdings habe schon der frühere Staatssekretär von Ex-Innenminister Herbert Schnoor (SPD) 1991 in einem Vermerk moniert, die Freistellungspraxis bei den Polizeigewerkschaften sei unbefriedigend. Dieser Hinweis sei aber im Ministerium nicht aufgegriffen worden.

Dennoch sei die Freistellung vom Dienst unter Fortzahlung der Bezüge "nicht Teil einer seit Jahrzehnten bewährten Staats- und Verwaltungspraxis", heißt es im Bericht. "Nach der Staatspraxis in Nordrhein-Westfalen würden die Vorsitzenden von Gewerkschaften vielmehr ohne Bezüge beurlaubt." Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) werde etwa seit 1993 so verfahren, bei Gewerkschaften außerhalb des Polizeibereichs ebenso.

Im Fall Wendt kam es dagegen zu bizarren Auswüchsen: 2008 sei er in einer Regelbeurteilung des Polizeipräsidenten Mönchengladbach mit Bestnote beurteilt worden - "in Ermangelung einer Dienstverrichtung" rechtswidrig, stellten die Ermittler fest. Seine Beförderung 2010 auf eine neu geschaffene Stelle der höheren Besoldungsgruppe A12 beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg sei ein Verstoß gegen den Grundsatz der Besten-Auslese.

Eine weitere Beurteilung von 2011 suggeriere, Wendt sei als Sachbearbeiter in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig gewesen. Nicht erbrachte Leistungen seien als "voll den Anforderungen entsprechend" bewertet worden. Inzwischen habe die CDU/FDP-Regierung solche "nicht akzeptablen Grauzonen" ausgeräumt, sagte Reul.

Das Verwaltungsermittlungsverfahren war noch von der rot-grünen Landesregierung in Auftrag gegeben worden. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hatte im November 2017 ihre Ermittlungen wegen Untreue  im Fall Wendt eingestellt. Es seien keine Anhaltspunkte festgestellt worden, dass Beteiligte bewusst pflichtwidrig gehandelt und einen finanziellen Schaden des Landes in Kauf genommen hätten, hieß es damals.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Affäre Wendt: Sonderermittler sehen Verantwortung im Ministerium . In: Legal Tribune Online, 20.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28177/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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