SG Düsseldorf bejaht Anspruch auf Kostenübernahme: Kran­ken­kasse muss Tattoo-Ent­fer­nung von Ex-Prosti­tu­ierter zahlen

12.07.2017

Ihre Peiniger tätowierten einer Zwangsprostituierten eine Art "Besitzstempel" auf den Hals. Die Krankenkasse wollte die Entfernung zunächst nicht zahlen. Muss sie aber, sagt das SG Düsseldorf.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat einer ehemaligen Zwangsprostituierten Recht gegeben, die von ihrer Krankenkasse die Übernahme der Kosten für eine Tattoo-Entfernung verlangte. Ihre Zuhälter hatten sie mit dem Tattoo als ihren "Besitz" kennzeichnen wollen (Urt. v. 26.01.2017, Az. S 27 KR 717/16).

Die zwei Männer hatten die Klägerin zur Prostitution gezwungen und ihr eine Tätowierung auf den Hals gestochen, bestehend aus den Initialen ihrer Vornamen sowie der Abkürzung "DH2". Die beiden waren in der Zuhälter-Szene als "Die heiligen Zwei" bekannt.

Nachdem die Frau durch die Polizei aus ihrer Knechtschaft befreit worden war, wollte sie das Tattoo loswerden und beantragte bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der Kosten für die Entfernung. Diese lehnte den Antrag jedoch ab: Die Entfernung einer Tätowierung sei keine Krankenbehandlung.

Klägerin wäre als ehemalige Prostituierte erkennbar

Daraufhin klagte die Frau vor dem SG und bekam nun Recht: Es handele sich bei der Entfernung der Tätowierung ausnahmsweise um eine Krankenbehandlung, denn die Tätowierung wirke entstellend und es drohe die Gefahr eines Rückzugs aus dem sozialen Leben, urteilte die 27. Kammer in Düsseldorf.

Schon bei flüchtiger Betrachtung falle die Tätowierung aufgrund ihrer Größe und Lage am Hals auf und wecke Aufmerksamkeit und Neugier. Sie könne Nachfragen auch von unbekannten Passanten auslösen und die Klägerin könne als Opfer der Zwangsprostitution erkannt werden, zumal über den Fall in der Presse berichtet worden sei. Zudem leide die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung, deren Heilungschancen ohne die Entfernung des Tattoos erheblich schlechter seien.

Eine Psychotherapie könne da ebenfalls keine Abhilfe schaffen, so die Richter. Schließlich gehe es nicht um das subjektive Empfinden der Klägerin gegenüber einer körperlichen Anomalie. Die Situation sei auch nicht mit einer Tätowierung vergleichbar, die aus freien Stücken gestochen wurde und später schlichtweg nicht mehr gefalle. Somit handele es sich um eine notwendige Heilbehandlung und die Kosten müssten erstattet werden.

Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

SG Düsseldorf bejaht Anspruch auf Kostenübernahme: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23443 (abgerufen am: 06.12.2024 )

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