Union und SPD wollen eine gelockerte Schuldenbremse und ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur in Sondersitzungen durch den Bundestag peitschen. Ein erster Gesetzentwurf regelt nun die Details der geplanten Änderungen.
Der eigentlich am 23. Februar von den Bürgerinnen und Bürgern in dieser Zusammensetzung abgewählte Bundestag kommt am nächsten Donnerstag und am Dienstag darauf (13. und 18. März) zu Sondersitzungen zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt ist dann das historische Finanzpaket, auf das sich Schwarz-Rot Anfang dieser Woche verständigt hat. Die im Grundgesetz (GG) verankerte Schuldenbremse soll für Verteidigungsausgaben gelockert werden, die Länder sollen mehr Spielraum für Investitionen bekommen, außerdem soll ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur mit 500 Milliarden Euro geschaffen werden. LTO hatte darüber berichtet, dass Verfassungsrechtler hinsichtlich des Vorgehens grundsätzlich keine Bedenken haben.
Wie das gigantische Finanzpaket nun rechtstechnisch umgesetzt wird, zeigt ein erster Arbeitsentwurf zu einer "Formulierungshilfe für einen Gesetzesentwurf der Fraktionen CDU/CSU und der SPD im Deutschen Bundestag (Bearbeitungsstand: 6.3.2025)". Daraus ergibt sich, dass Union und SPD alle geplanten GG-Änderungen (Lockerung Schuldenbremse für Verteidigungsvorhaben, mehr Spielraum für die Bundesländer sowie ein Sondervermögen Infrastruktur) in einen Gesetzentwurf packen und nicht in getrennten Gesetzentwürfe vorlegen wollen.
Das heißt für die Abstimmung im Bundestag: Die Abgeordneten können entweder allen GG-Änderungen zustimmen oder gar keinen. Was noch auffällt: In Anbetracht der Bedeutung des Vorhabens ist der Entwurf mit gerade einmal zwölf Seiten inklusive Begründung vom Umfang her äußerst übersichtlich. Art. 1 des Gesetzes umfasst sämtliche die GG-Änderungen, Art. 2 das Inkrafttreten.
"Zeitenwende vertiefen und fortführen"
Begründet wird das Aufbrechen der Schuldenbremse für mehr Verteidigungsausgaben mit der verschärften Sicherheitslage. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauere nunmehr bereits über drei Jahre an und habe die Sicherheitslage in Europa dramatisch verändert. "Der Amtsantritt der neuen US-Regierung lässt darüber hinaus nicht erwarten, dass sich die existierenden geoökonomischen und sicherheitspolitischen Spannungen in der internationalen Politik verringern", heißt es einleitend.
Um vor diesem Hintergrund die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gewährleisten zu können, müsse die mit der "Zeitenwende" eingeleitete Stärkung der Fähigkeiten der Bundeswehr "vertieft und fortgeführt" werden.
Allerdings, so der Entwurf, sei das Instrument eines Sondervermögens nicht ausreichend, weil es die zeitliche Dimension der Finanzierungsaufgabe nicht adäquat abbilde. "Der Gesetzentwurf bezweckt daher zur weiteren Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr, den fiskalischen Spielraum zu erweitern. Künftig ist von den zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten der Betrag abzuziehen, um den die Verteidigungsausgaben 1 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt überschreiten". Mit anderen Worten: Deutschland kann künftig mehr Geld für Rüstung ausgeben, als die Schuldenbremse eigentlich erlaubt.
Die GG-Änderungen im Einzelnen
Konkret umgesetzt wird dies im Wege einer Neufassung der Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Absatz 2 GG. So soll Art. 109 Abs. 3 S. 5 künftig lauten: "Von den zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten ist der Betrag abzuziehen, um den die Verteidigungsausgaben 1 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt übersteigen." In Artikel 115 Abs. 2 GG soll ergänzt werden: “Von den zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten ist der Betrag abzuziehen, um den die Verteidigungsausgaben 1 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt übersteigen.”
Hinsichtlich der GG-Änderung, die die Bundesländer betrifft, diagnostiziert der Gesetzentwurf:
"Die Länder und ihre Kommunen haben insbesondere nach den Krisen der vergangenen Jahre und angesichts vielfältiger, zum Teil neuer Herausforderungen ebenso wie der Bund große Finanzierungsbedarfe, die unabhängig von der konjunkturellen Lage sind." Um ihnen mehr Investitionen zu ermöglichen, sollen die Länder "einen sehr eng begrenzten strukturellen Verschuldungsspielraum in Höhe von 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt" erhalten. Über die tatsächliche Nutzung dieses Spielraums und die konkrete Verwendung von entsprechenden finanziellen Mitteln sollen die Länder im Rahmen ihrer Haushaltsautonomie selbst entscheiden.
Umgesetzt wird dies nun ebenfalls in Art. 109 Abs. 3 GG. Dieser stellt fortan klar, dass die Gesamtheit der Länder dem Grundsatz, wonach Haushalte eigentlich nicht durch Kredite ausgeglichen werden dürfen, auch dann entsprechen, "wenn die durch sie erzielten Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten". Die Aufteilung der für die Gesamtheit der Länder zulässigen Kreditaufnahme auf die einzelnen Länder soll in einem weiteren Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden.
Infrastruktur-Sondervermögen im neuen Art. 143h GG
Was das Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur von bis zu 500 Milliarden Euro anbelangt, konstatiert der Entwurf, dass damit eine dauerhafte Finanzierungsgrundlage und damit eine glaubwürdige Investitionsoffensive des Bundes zur Modernisierung Deutschlands geschaffen werde. Verschiedene Studien hätten gezeigt, dass der notwendige gesamtwirtschaftliche Investitionsbedarf auf einen mittleren bis hohen dreistelligen Milliardenbetrag in den kommenden zehn Jahren geschätzt werde. "Ein hoher Anteil des Investitionsbedarfs entfällt auf den öffentlichen Sektor. Die Studien kommen zu dem Ergebnis, dass zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur unter anderem in den Bereichen Dekarbonisierung, Verkehr und Bildung erforderlich sind. Demzufolge müssten die Investitionen von Bund, Ländern und Kommunen signifikant erhöht werden."
Verfassungsrechtlich ermöglicht werden soll dies nun mit einem neuen Artikel 143h GG, der den Bund zur Errichtung eines Sondervermögens mit eigener Kreditermächtigung von bis zu 500 Milliarden Euro für Investitionen in die gesamtstaatliche Infrastruktur ermächtigt. Von den Kreditobergrenzen der Schuldenregel ist die neue Ermächtigung ausgenommen. Wie die Mittel konkret verwendet werden, soll im nächsten Bundestag dem einfachen Gesetzgeber überlassen werden.
Der neue Art. 143h GG mit zwei Absätzen soll lauten:
"Der Bund kann ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für Investitionen in die Infrastruktur mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden. Das Sondervermögen hat eine Laufzeit von 10 Jahren. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." (Abs. 1)
Der Bund kann aus dem Sondervermögen nach Absatz 1 Satz 1 im Umfang von bis 100 Milliarden Euro auch Investitionen der Länder in deren Infrastruktur finanzieren. Die Länder haben dem Bund über die Mittelverwendung Bericht zu erstatten. Der Bund ist zur Prüfung der zweckentsprechenden Mittelverwendung berechtigt; er kann Mittel aus dem Sondervermögen gegenüber einem Land zurückbehalten und zurückfordern, sofern dieses eine zweckentsprechende Mittelverwendung nicht nachweist. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates." (Abs. 2)
Zustimmung zum Milliardenpaket ungewiss
Ob das schuldenfinanzierte Milliardenpaket für Verteidigung und Infrastruktur im Bundestag am Ende die nötige Zweidrittelmehrheit bekommt, ist noch offen. Union und SPD brauchen dafür Stimmen von Grünen oder FDP. Letztere lehnt die Lockerung der Schuldenbremse allerdings kategorisch ab. Die Grünen sehen derzeit noch viele ungeklärte Fragen - und ärgern sich über Merz. Das Vorgehen von Union und SPD sei nicht respektvoll und auch nicht überlegt, kritisierte die Fraktion. Aber auch inhaltlich üben die Grünen Kritik: Die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen fehle im geplanten Infrastruktur-Sondervermögen völlig.
Die Grundgesetzänderungen sollen am 13. März ins Plenum eingebracht und am 18. März vom Bundestag beschlossen werden. Auch der Bundesrat muss zustimmen - und hier ist eine Zweidrittelmehrheit ebenfalls nicht sicher.
Der inzwischen neu gewählte Bundestag kommt dann am 25. März zu seiner ersten Sitzung zusammen. Bei der konstituierenden Sitzung wird dann in geheimer Wahl ein neuer Bundestagspräsident oder eine neue Präsidentin gewählt. Traditionell bekommt die stärkste Fraktion diesen Posten. Zudem werden Vizepräsidenten gewählt, ebenfalls geheim.
Mit Material von dpa
Schuldenbremse und Sondervermögen: . In: Legal Tribune Online, 07.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56751 (abgerufen am: 18.03.2025 )
Infos zum Zitiervorschlag