Schlussanträge zu Leichtathletik-Ordnung: "Deut­sche Meister" müssen keine Deut­schen sein

07.03.2019

Müssen Leichtathleten die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, um den Titel des "Deutschen Meisters" tragen zu dürfen? Die Leichtathletik-Ordnung des DLV sieht das so vor. Generalanwalt Tanchev erkennt darin einen Verstoß gegen Unionsrecht.  

Seit der Deutsche Leichtathletikverband e.V. (DLV) 2016 seine Leichtathletik-Ordnung änderte, ist es nur noch deutschen Staatsangehörigen möglich, in Wettkämpfen einen Titel wie etwa den des "Deutschen Meisters" zu erlangen. Alle anderen Teilnehmer durften an den Wettkämpfen zwar teilnehmen, starteten jedoch "außer Wertung".

Durch diese Regelung sah sich Daniele Biffi in seinen Rechten verletzt. Der Italiener lebt seit 2003 in Deutschland und nahm in der Vergangenheit regelmäßig erfolgreich an Amateur-Wettkämpfen in Deutschland teil. Dafür verzichtete er sogar auf sein Recht, an italienischen Wettkämpfen teilzunehmen.

Neben dem Leistungssport trainiert er andere Athleten als Personal Trainer. Biffi meint, dass es in seiner Branche einen enormen Unterschied mache, ob man als Personal Trainer auf eigene sportliche Erfolge verweisen kann. Das kann er wegen der neuen Regelung seit 2016 aber nicht mehr und klagte vor dem Amtsgericht Darmstadt (AG). Da die Richter zweifelten, ob eine solche Regelung mit unionsrechtlichen Vorschriften vereinbar ist, setzten sie das Verfahren aus und fragten den Europäischen Gerichtshofs (EuGH) um Rat.

Wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Schlussanträgen des Generalanwalts Evgeni Tanchev hervorgeht, stimmt dieser dem italienischen Sportler zu. Eine solche Regelung verstoße gleich mehrfach gegen Unionsrecht. Insbesondere die Niederlassungsfreiheit von EU-Ausländern sei durch eine solche Regelung verletzt.

Generalanwalt: Verbraucher wenden sich lieber an erfolgreiche Trainer

Denn ein Verbraucher werde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit an einen Trainer wenden, der mit herausragenden sportlichen Erfolgen aufwarten kann. Dadurch würden es sich ausländische Trainer aber zwei Mal überlegen, ob sie ihre Leistungen in Deutschland anbieten sollen. Ein Umstand, der mit der Niederlassungsfreiheit nicht zu vereinbaren sei, konstatiert der Generalanwalt.

Tanchev führte weiter aus, dass die DLV-Regelung zudem eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit darstelle. Zwar sei das vom DLV verfolgte Ziel, zu gewährleisten, dass der "Deutsche Meister" eine starke Verbindung zu Deutschland hat, nicht zu beanstanden. Eine Gefahr einer fehlenden Verbindung zu Deutschland bestehe bei Sportlern wie Biffi aber nicht. Denn wer über ein Jahrzehnt in diesem Land lebt und in der Sportlerszene integriert ist, der verdiene bei entsprechenden Leistungen auch den Titel des "Deutschen Meisters", so Tanchev.

Der DLV hätte zumindest eine Übergangsregelung erlassen müssen, der die Interessen von Sportlern wie Daniele Biffi ausreichend berücksichtigt. So aber sei die Regelung mit europäischem Recht und den Grundpfeilern der Rechtsprechung des EuGH unvereinbar.

"Sport steht nicht außerhalb der Rechtsordnung"

"Es ist fraglich, warum man diese Regelung überhaupt braucht", sagt der Sportrechler Dr. Paul Lambertz aus Düsseldorf. Ihn überzeugen die vorgebrachten Rechtfertigungen ebenso wenig wie den Generalanwalt. "Zum einen könnte man Deutsche und Nicht-Deutsche zwanglos bei einem Wettkampf starten lassen, Nicht-Deutsche könnten dann halt 'nur' internationaler Deutscher Meister werden. Deutscher Meister wäre der schnellste Deutsche, der aber nicht zwangsläufig den Wettkampf auch gewonnen haben müsste", so Lambertz.

"Durch eine Regelung, dass Nicht-Deutsche eine bestimmte Zeit in Deutschland gelebt haben müssen, würde man auch ausschließen, dass diese Starter keinerlei Beziehung zu Deutschland haben und nur wegen des Wettkampfes nach Deutschland gekommen sind", so der Anwalt. Die Angst des DLV vor einer 'Entwertung der Deutschen Meisterschaften' werde durch einen vollständigen Ausschluss von Nicht-Deutschen jedenfalls nicht gelöst, meint der Rechtsanwalt. Schließe sich der EuGH den Schlussanträgen an, zeige sich einmal mehr, dass der Sport nicht außerhalb der Rechtsordnung steht.

tik/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Schlussanträge zu Leichtathletik-Ordnung: . In: Legal Tribune Online, 07.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34245 (abgerufen am: 14.11.2024 )

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