Haben Syrer, die sich durch ihre Flucht dem Wehrdienst entzogen haben, einen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus? Die Gerichte beantworten diese Frage unterschiedlich, das Sächsische OVG hat sie nun bejaht.
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat am Mittwoch in mehreren Fällen entschieden, dass Flüchtlinge aus Syrien, die sich durch ihre Flucht als Wehrpflichtige oder Reservisten dem Wehrdienst entzogen haben, Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus haben (Urt. v. 07.02.2018, Az. 5 A 714/17.A, 5 A 1234/17.A, 5 A 1237/17.A, 5 A 1245/17.A, 5 A 1246/17.A).
In allen Verfahren hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Klägern, Flüchtlingen aus Syrien, im Hinblick auf den in Syrien herrschenden landesweiten innerstaatlichen bewaffneten Konflikt den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Asylgesetz (AsylG) zuerkannt. Der weitergehende Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG wurde jeweils abgelehnt. Unterschiede zwischen subsidiären Schutz und Flüchtlingsstatus gibt es vor allem hinsichtlich des Familiennachzugs.
Anders als der subsidiäre Schutz setzt die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus voraus, dass die Betroffenen nicht nur mit staatlichen Verfolgungshandlungen (z.B. Folter) rechnen müssen, sondern dass gerade aufgrund eines bestimmten Verfolgungsgrundes (etwa wegen der Rasse, der Religion, einer politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe) die staatlichen Verfolgungshandlungen drohen. Die sächsischen Verwaltungsgerichte (VG) hatten dies unterschiedlich beurteilt. Während das VG Chemnitz und VG Leipzig das Vorliegen eines solchen Verfolgungsgrundes bejaht hatten, hatte das VG Dresden ihn verneint.
Rechtsprechung uneins
Das OVG entschied nun, dass wehrpflichtigen Flüchtlingen aus Syrien im Falle ihrer Rückkehr politische Verfolgung droht. Die syrischen Behörden unterstellen diesen nach den aktuellen Auskünften zur Lage in Syrien eine regimefeindliche Gesinnung und behandeln sie nach einem "Freund-Feind-Schema" als Oppositionelle, so das Gericht in einer Mitteilung. Keinen Erfolg hatte die Berufung eines fast 17 Jahre alten Syrers. Bei ihm ging der Senat davon aus, dass keine politische Verfolgung droht, da er Syrien bereits im Alter von 12 Jahren verlassen hatte und somit noch kein Wehrdienstentzug vorgelegen haben könne.
Die Frage, ob Flüchtlinge aus Syrien, die sich durch ihre Flucht dem Wehrdienst entzogen haben, Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus haben, ist in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe der Bundesländer umstritten. Das OVG Nordrhein-Westfahlen entschied Mitte des vergangenen Jahres genau gegenteilig und sprach den Syrern keinen Flüchtlingsstatus zu. Da es um die Bewertung grundsätzlicher Tatsachenfragen und nicht um Rechtsfragen geht, kann das Bundesverwaltungsgericht keine bundesweite Klärung herbeiführen.
acr/LTO-Redaktion
Sächsisches OVG zu syrischen Flüchtlingen: . In: Legal Tribune Online, 09.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26969 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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