Russland beschließt umfassende Verfassungsänderung: Wei­tere Amts­zeiten für Prä­si­dent Putin

11.03.2020

Im Eiltempo beschloss das russische Parlament die bisher größte Verfassungsänderung in der Geschichte des Landes. So soll Präsident Putin weiter an der Macht bleiben. In Moskau regt sich Protest, eine Hürde gibt es noch.

Kremlchef Wladimir Putin kann dank einer nun endgültig vom russischen Parlament beschlossenen Verfassungsänderung theoretisch noch 16 Jahre, also bis 2036 an der Macht bleiben. Die Staatsduma in Moskau nahm am Mittwoch in dritter und letzter Lesung die größte Verfassungsänderung in der Geschichte des Landes an.

Dabei werden auch die Vollmachten des Präsidenten ausgeweitet. So soll der 67 Jahre alte Putin nach dem Willen der Abgeordneten die Chance haben, sich um den "praktisch neuen Posten" zu bewerben. Die nächsten Präsidentenwahlen sind 2024 und 2030. Ein echter Konkurrent für Putin ist nicht in Sicht.

Nach der Staatsduma winkte auch der Putin gewogene Föderationsrat - das Oberhaus des russischen Parlaments - die Grundgesetzänderung durch. Föderationsratschefin Valentina Matwijenko lobte die Verfassung als Basis für politische Stabilität und soziale Sicherheit in Russland.

Verfassungsgericht muss noch zustimmen

Insgesamt waren an der unter Präsident Boris Jelzin 1993 verabschiedeten Verfassung 390 Änderungen vorgenommen worden. Es war die erste Verfassungsreform unter Putin, der 2000 erstmals zum Präsidenten gewählt worden war.

Eine Verfassungsänderung gab es unter Präsident Dmitri Medwedew 2008, der die Amtszeit auf sechs Jahre ausdehnen ließ. Davon profitierte erstmals Putin nach seiner Rückkehr in den Kreml 2012. Putin hatte den Posten damals zeitweilig verlassen, weil laut bisheriger Verfassung nur zwei Amtszeiten in Folge möglich waren. Der Zusatz "in Folge" ist nun gestrichen.

Die Staatsduma nahm die geänderte Verfassung nun mit 383 von 450 Stimmen an. 43 Abgeordnete der Kommunisten enthielten sich wie in der zweiten Lesung am Vortag. Sie hatten kritisiert, dass Putins bisherige vier Amtszeiten bei Inkrafttreten der neuen Verfassung nicht gezählt werden und er wieder kandidieren könne. Putin will dieses Vorgehen noch vom Verfassungsgericht bestätigen lassen. Die Richter haben allerdings bisher noch keine Entscheidung gegen den Kremlchef getroffen.

Kritiker sehen "Verfassungsumsturz" 

Kremlkritiker werfen Putin einen "Verfassungsumsturz" vor. Bereits am Dienstag hatte es in Moskau Proteste gegen seinen ewigen Verbleib an der Macht gegeben. Für den 21. März beantragte die Opposition eine Protestkundgebung in Moskau. Erlaubt werden dürfte sie wohl nicht.

Die Stadt untersagte wegen des Coronavirus Massenveranstaltungen bis zum 10. April. Nach offiziellen Angaben gibt es bisher kaum Infektionen in der russischen Hauptstadt.

Die Staatsduma hatte am Dienstag nach einer Rede Putins in zweiter und entscheidender Lesung die Verfassung geändert. Die dritte Lesung war nun eine rein technische. Es gab keine Gegenstimme. Für den 22. April ist eine Volksabstimmung zum Grundgesetz geplant. Erst dann soll Putin zufolge die Verfassungsreform in Kraft treten.

Viele Menschen in Russland sind verunsichert wegen der schweren Wirtschaftskrise. Auf dem Land lasten nicht nur die Sanktionen der USA und der EU wegen des Ukrainekonflikts. Zusätzlich macht Russland, das vom Verkauf seiner Rohstoffe abhängig ist, der Crash beim Ölpreis zu schaffen. Wegen der Krise verlor der Rubel gegenüber dem Euro und dem US-Dollar massiv an Wert. Putin präsentierte sich als erprobter Krisenmanager und sicherte den Menschen in der Rede in der Staatsduma ungeachtet der Probleme soziale Absicherung zu.

EGMR-Urteile haben keinen Vorrang mehr

Kremlkritiker warfen Putin vor, die Menschen mit dem in der Verfassung verankerten Versprechen eines Mindestlohns und einer regelmäßigen Rentenanpassung an die Urnen zu locken. Der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin bezweifelte, dass die Abstimmung am 22. April ehrlich ablaufen werde.

Jaschin kritisierte auch, dass jetzt eine Unantastbarkeit des Präsidenten in der Verfassung festgeschrieben sei. Zudem hätten nun Urteile internationaler Gerichte wie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg keinen Vorrang mehr. Es zähle nun, was die vom Kreml kontrollierten Richter in Russland entschieden. Kommentatoren beim kremlkritischen Radiosender Echo Moskwy warnten vor einer "Diktatur" in Russland.

Aus Kreisen westlicher Diplomaten in Moskau war zu hören, dass eine offizielle Kritik aus der EU an der Verfassungsänderung kaum zu erwarten sei. Das Grundgesetz sei die innere Angelegenheit Russlands, hieß es.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Russland beschließt umfassende Verfassungsänderung: Weitere Amtszeiten für Präsident Putin . In: Legal Tribune Online, 11.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40783/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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