Justizministerium gegen Sozialrichter von Renesse: Dis­zi­p­li­nar­ver­fahren nach Eini­gung beendet

13.09.2016

Sozialrichter Robert von Renesse setzte sich für die Anerkennung der Rentenansprüche von Arbeitern aus NS-Ghettos ein und zog viel Unmut auf sich. Sein Disziplinarverfahren hat nun ein Ende gefunden - hinter verschlossenen Türen.

Holocaust-Überlebende, die in NS-Ghettos gearbeitet haben, können nach einem Gesetz aus dem Jahre 2002 Ansprüche auf Rentenzahlung zustehen. Doch deren Geltendmachung erwies sich in vielen Fällen als schwierig, deutsche Behörden regelmäßig als wenig hilfsbereit: Über 90 Prozent der Anträge wurden abgelehnt. Sozialrichter Jan Robert von Renesse, der über Klagen auf Rentenzahlungen zu entscheiden hatte, wollte helfen - und landete am Ende selbst vor Gericht. Das Verfahren gegen ihn vor dem Richterdienstgericht in Düsseldorf ist nun mit einer Einigung beendet worden, wie das Justizministerium NRW am Dienstag mitteilte.

Man habe sich mit Richter von Renesse verständigt, so das Ministerium. Das Gericht habe daraufhin das Verfahren eingestellt. Details bezüglich dieser Verständigung wurden nicht mitgeteilt.

Ihm waren ein Verstoß gegen die richterliche Wahrheitspflicht und die Verunglimpfung von Kollegen vorgeworfen worden. Dies gründete vor allem auf ein Schreiben von Renesses an den Bundestag, in dem er die Zustände in der Justiz und besonders am Landessozialgericht NRW kritisierte. So seien unter anderem bei Geheimtreffen rechtswidrige Absprachen zum Nachteil von NS-Opfern getroffen worden. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) wollte diese Vorwürfe nicht hinnehmen und verklagte den Richter wegen Rufschädigung der Justiz auf eine Geldbuße von 5.000 Euro.

Das Verfahren erregte infolge der Verdienste von Renesses um die Anliegen von NS-Opfern auch international große Aufmerksamkeit. Verbände von Holocaust-Überlebenden in Israel und den USA, sowie das Simon Wiesenthal Center hatten das Vorgehen kritisiert. 

Bundessozialgericht änderte seine Rechtsprechung

Das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto sieht Ansprüche für Ghetto-Gefangene vor, die dort freiwillige Arbeit gegen Entlohnung geleistet haben - Zwangsarbeiter sind nicht erfasst. 

Die Bearbeitung der Fälle erfolgte in der Regel nur aufgrund von Formularen, entschieden wurde über die Klagen nach Aktenlage. Von Renesse aber wollte mit den Betroffenen reden, die - Jahrzehnte nach der NS-Gefangenschaft - häufig am Ausfüllen der komplizierten Fragebögen scheiterten. Infolgedessen kam er auf eine weit höhere Anerkennungsquote als seine Kollegen. Diese hätten, so von Renesse, mit Feindseligkeiten reagiert und ihm die Arbeit erschwert.

Die Tätigkeit von Renesses hatte in jedem Fall eine gewisse Veränderung zugunsten der Holocaust-Überlebenden zur Folge: 2009 änderte das Bundessozialgericht seine Rechtsprechung und legt seither weniger strenge Maßstäbe für die Rentenanerkennung an. Allerdings ist die rückwirkende Geltendmachung nur zeitlich beschränkt möglich.

mam/LTO-Redaktion

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Justizministerium gegen Sozialrichter von Renesse: . In: Legal Tribune Online, 13.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20569 (abgerufen am: 04.10.2024 )

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