BMJ legt Referentenentwurf zum Sanktionsrecht vor: "Neu­start in die Straf­rechts­po­litik"?

19.07.2022

Nicht weniger als ein "Neustart in die Strafrechtspolitik" soll der Referentenentwurf zum Sanktionsrecht sein, den Bundesjustizminister Marco Buschmann veröffentlichte. Es gibt Zweifel daran, ob er hält, was er verspricht.

Bundesjustizminister Marco Buschmann will im Umgang mit Straftätern ein neues Kapitel aufschlagen. Wie sein Ministerium am Dienstag mitteilte, wurde ein Entwurf für eine Reform des Sanktionenrechts zur Stellungnahme an Länder und Verbände verschickt. Der 85-seitige Entwurf wurde auch vom BMJ veröffentlicht. Der FDP-Politiker sagte: "Die neue Bundesregierung steht für einen Neustart in der Strafrechtspolitik."

Der Gesetzentwurf sieht verschiedene Änderungen bei den Ersatzfreiheitsstrafen und der Strafzumessung sowie den Maßregeln und Auflagen vor. Insgesamt soll so die Resozialisierung und Prävention gestärkt und der Staat und seine Einrichtungen entastet werden.

Ersatzfreiheitsstrafen sollen halbiert werden

Wer eine Geldstrafe nicht zahlen kann oder will, muss dafür bisher ersatzweise ins Gefängnis. An diesem Grundsatz will Buschmann auch nicht rütteln. Laut Entwurf soll ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 Strafgesetzbuch (StGB) aber künftig nicht mehr einem, sondern zwei Tagessätzen entsprechen. Sie würde also halbiert werden. Außerdem soll es leichter werden, die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe durch abgeleistet gemeinnützige Arbeit ganz abzuwenden.

Der Hintergedanke ist, dass der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe nicht bei der Resozialisierung der Betroffenen helfe. Ein Nebeneffekt: Die Länder würden Geld sparen. Ein belegter Haftplatz kostete im Jahr 2020 im Schnitt pro Tag 157,72 Euro, rechnet man die Bau- und Sachinvestitionskosten dazu waren es 173,66 Euro. Buschmann will es denjenigen, die wegen nicht bezahlter Geldstrafen einsitzen sollen, zudem leichter machen, der Ersatzhaft durch das Ableisten gemeinnützige Arbeit zu entgehen.

Aus Baden-Württemberg kam bereits Kritik an den Reformplänen. "Mit dem Vorstoß halbiert der Bundesjustizminister ein Problem rein zahlenmäßig, bietet aber keinerlei neuen Lösungsansatz", sagt Justizministerin Marion Gentges (CDU). Dabei gebe es genügend innovative Ideen. Sie meint damit etwa den Ausbau von Programmen sozialer Arbeit.

Geschlechterspezifische Gewalt soll strafschärfend sein

Zudem soll der Katalog der Gründe in § 46 Abs. 2 StGB, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, um "geschlechtsspezifische" und "gegen die sexuelle Orientierung" gerichtete Beweggründe ergänzt werden. Damit hätten beispielsweise Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, weil sie glauben, sie dürften über das Leben der Frau bestimmen, höhere Strafen zu erwarten.

Auch in unserem Land sei das Ausmaß gerade frauenfeindlicher Gewalt erschütternd. Kein Mann dürfe sich anmaßen, über das Leben einer anderen Frau zu bestimmen, sagte Buschmann. Die Anpassung gelte auch für Taten, die sich etwa gegen die trans- oder intergeschlechtliche Identität von Menschen richteten.

Die geplante Änderung bei der Strafzumessung bei geschlechtsspezifischen Tatmotiven bezeichnete Gentges (CDU) als "reine Symbolpolitik, die keiner einzigen Frau das Leben retten wird". Sie argumentierte: "Bereits jetzt gehört es zur tagtäglichen Arbeit eines Strafrichters, die Tatmotive bei der Strafzumessung zu berücksichtigen."

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt soll seltener werden

Änderungen soll es auch im Maßregelrecht geben. Hier sollen die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB enger gefasst werden. Ziel der geplanten Änderung ist es hier, die begrenzten Kapazitäten auf Suchtkranke zu konzentrieren, die tatsächlich der Behandlung in einer solchen Einrichtung bedürfen.

"In den letzten Jahren hat die Zahl der Menschen drastisch zugenommen, die nach einer strafgerichtlichen Verurteilung in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind", bilanziert Buschmann. Nicht alle untergebrachte Personen seien in den Kliniken richtig aufgehoben. Deswegen sollen der "Hang" zum übermäßigen Rauschmittelkonsum, der Zusammenhang zwischen Hang und Straffälligkeit sowie die Erfolgsaussichten einer Behandlung stärker berücksichtigt werden.

Ähnliches gilt für den Bereich Auflagen und Weisungen. Die Möglichkeit einer Therapieweisung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56c StGB), der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a StGB) und des Absehens von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen (§ 153a StPO) soll ausdrücklich normiert werden. Bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt soll zusätzlich die Möglichkeit einer Anweisung geschaffen werden, sonst durch eine Arbeitsauflage gemeinnützige Leistungen zu erbringen.

Der Gesetzesentwurf wurde nun an die Länder und Verbände überwiesen. Bis zum 24. August 2022 haben sie nun Zeit Stellung zu nehmen.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

BMJ legt Referentenentwurf zum Sanktionsrecht vor: "Neustart in die Strafrechtspolitik"? . In: Legal Tribune Online, 19.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49095/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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