Der Wirbel um Charlotte Merz hat sich gelegt, doch der Fall einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung bei einer Juso-Vorsitzenden wirft weiter Fragen auf. Ein an den Ermittlungen beteiligter Beamter rückt nun in den Fokus: War er befangen?
Im Fall der rechtswidrigen Hausdurchsuchung bei einer jungen SPD-Politikerin im Sauerland wegen Anti-Merz-Graffitis geht die Polizei auch möglichem Fehlverhalten in den eigenen Reihen nach. Wegen der noch genauer zu untersuchenden Rolle eines aus seiner Sicht befangenen Kriminalhauptkommissars bei den Ermittlungen werde zur Zeit die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen Dienstpflichtverletzungen geprüft, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags.
Nachdem Ende Januar vor einem Auftritt des damaligen CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in Menden großflächige Schmierereien gegen den CDU-Vorsitzenden und seine Partei rund um die Schützenhalle gefunden worden waren, war der Beamte als Mitglied des Schützenvorstands selbst vor Ort. Danach trat er mehrfach im Rahmen der Ermittlungen in Erscheinung. Das frühere Landtagsmitglied sitzt für die CDU im Stadtrat von Menden.
"Er war und ist allerdings nicht offiziell mit Ermittlungen betraut", so Reul. Dennoch habe er einen Ermittlungsbericht angefertigt, in dem er auf mögliche Zeugen hinwies, und eine Anzeige entgegengenommen. "Warum der Mann aktiv wurde, können wir gegenwärtig noch nicht sagen. Einen dienstlichen Auftrag hat es nach den gegenwärtigen Erkenntnissen nicht gegeben."
War der Beamte befangen?
Polizistinnen und Polizisten seien zur Neutralität verpflichtet, deshalb wolle er genau untersucht wissen, wie genau das Verhalten des Kriminalhauptkommissars aussah. Dass der Beamte befangen war, sei für ihn "glasklar", unterstrich der CDU-Politiker auf Nachfrage. Zu untersuchen sei, ob er sich an den Ermittlungen beteiligt habe. Werde diese Frage bejaht, "dann hat das Folgen", stellte Reul klar. Strafrechtlich relevantes Verhalten sei aber auch nach Einschätzung der Justiz nicht zu erkennen.
Nach § 21 des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW ist ein Verfahrensbeteiligter verpflichtet, bei Besorgnis der Befangenheit den Behördenleiter zu informieren und sich auf dessen Anordnung "seiner Mitwirkung zu enthalten". Ein Verstoß gegen diese Regel kann eine disziplinarrechtlich relevante Pflichtverletzung darstellen. Für Befangenheit reicht eine Parteizugehörigkeit allein oft nicht aus. Etwas anderes gilt für die Eigenschaft als Geschädigter des Delikts, weswegen ermittelt wird. Geschädigter der gemeinschädlichen Sachbeschädigung ist hier jedenfalls auch der Schützenverein, allerdings ist dieser nicht personenidentisch mit dem handelnden Vorstandsmitglied. Für eine Befangenheit könnte allerdings die Gesamtkonstellation sprechen, zumal die bloße Besorgnis, also der Anschein einer nicht mehr neutralen Amtsführung, genügt.
Zum Politikum wurde das Ermittlungsverfahren insbesondere durch eine vom Landgericht nachträglich als rechtswidrig eingestufte Hausdurchsuchung bei der SPD-Nachwuchspolitikerin Nela Kruschinski. Am 1. April führte die Polizei bei der damals 17-jährigen Mendener Juso-Vorsitzenden eine vom Amtsgericht Arnsberg abgesegnete Hausdurchsuchung durch. Sie bestreitet jedoch mit der Tat zu tun zu haben und legte Beschwerde gegen die Maßnahme ein. Anfang August erklärte das Landgericht die Durchsuchung für rechtswidrig und hob den Beschluss des Amtsgerichts auf.
Landgericht sah keinen Anfangsverdacht
Die bis dato vorliegenden Beweismittel reichten nicht aus, um überhaupt einen Anfangsverdacht gegen Kruschinski zu begründen, so die Jugendkammer. Die Zeugenhinweise seien viel zu vage für eine Identifizierung eines Tatverdächtigen. Bei einem überdies bei der Polizei eingegangenen anonymen Hinweis könne es sich um eine falsche Verdächtigung handeln, denn der Hinweisgeber habe lediglich Kruschinski und eine männliche Person namentlich benannt, ohne den Verdacht zu begründen. Die Staatsanwaltschaft hält aber weiter an ihrem Tatverdacht fest und setzt die Ermittlungen fort.
Daneben beanstandete das LG den Verfahrensablauf vor Erlass des Durchsuchungsbeschlusses. Den nach § 105 Strafprozessordnung (StPO) erforderlichen Antrag stellte nämlich nicht die Staatsanwaltschaft direkt beim Gericht. Vielmehr hatte der zuständige Dezernent das Durchsuchungsbegehren nur telefonisch gegenüber der Polizei kommuniziert, und diese hatte ihn dann schriftlich an das Gericht weitergeleitet. Nach der Auffassung des LG reicht ein solcher indirekter Antrag nicht. Diese Auffassung teilte auch der Frankfurter Strafrechtsprofessor Matthias Jahn gegenüber LTO. Ermittlungsrichter müssten in so einem Fall untätig bleiben, so Jahn.
Unberechtigter Wirbel um Charlotte Merz
Besondere Brisanz erfuhr der Fall durch einen Bericht des WDR-Magazins Westpol. In dem Beitrag wurde, zutreffend, aber insofern ohne rechtspraktische Einordnung, geschildert, dass die Hausdurchsuchung von einem Richter auf Probe am Amtsgericht Arnsberg angeordnet worden war und dass Charlotte Merz, die Ehefrau des Bundeskanzlers, Direktorin dieses Gerichts ist. Aus Sicht der SPD drohe der Fall das "Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat und die Arbeit der Polizei merklich zu erschüttern", wie Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD, sagte. Der Juso-Bundesvorsitzende Philipp Türmer fragte nach dem Bericht auf X unter Hinweis auf die Beteiligung des Beamten an den Ermittlungen und Merz' Rolle als Gerichtsdirektorin, ob "Rechtsstaat im Sauerland ein Inside-Job" sei.
Charlotte Merz hatte nach Bekanntwerden des Vorfalls angegeben, erst Anfang September von dem Sachverhalt erfahren zu haben. Wie sie auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur zutreffend erklärte, ist es allein Sache der Rechtsmittelgerichte, die Entscheidung des Ermittlungsrichters inhaltlich zu bewerten. Richter sind vor einer Einflussnahme durch Kollegen durch die richterliche Unabhängigkeit geschützt. Das gilt auch für Proberichter und auch gegenüber Gerichtspräsidenten und -direktoren. Merz betonte ebenfalls, dass sie als Direktorin des AG - im Gegensatz zu einer Präsidentin - nicht die Dienstvorgesetzte des hier handelnden Richters ist. Die Dienstaufsicht liegt bei kleinen Direktorenamtsgerichten beim Präsident des Landgerichts.
Gregor Golland, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, entgegnete: "Hier wird aus einem Fall ein politischer Skandal konstruiert - vor allen Dingen um die Ehefrau des Bundeskanzlers in Misskredit zu bringen." Auch ein anderes Ereignis dürfte zur Skandalisierung beitragen: Am Sonntag sind Kommunalwahlen in NRW.
mk/dpa/LTO-Redaktion
Rechtswidrige Hausdurchsuchung bei SPD-Politikerin: . In: Legal Tribune Online, 12.09.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58138 (abgerufen am: 15.11.2025 )
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