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EU-Kommission will Polen wegen Richterpensionierung verklagen: Monats­frist für die Rechts­staat­lich­keit

15.08.2018

EU- und Polenflagge

© Leigh Prather - stock.adobe.com

Seit mehr als zwei Jahren streitet die EU mit Warschau über den Umbau der polnischen Justiz. Bei der Zwangspensionierung von Richtern hat die Kommission nun eine Frist von einem Monat gesetzt, bis sie den EuGH einschalten will.

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Im Streit über die Zwangspensionierung von Richtern in Polen droht die EU-Kommission mit einer Klage, falls Warschau nicht binnen eines Monats Änderungen veranlasst. Die Brüsseler Behörde wies die Argumente der nationalkonservativen Regierung Polens im Vertragsverletzungsverfahren am Dienstag zurück und setzte die neue Frist. Damit eskaliert der Dauerstreit zwischen Warschau und Brüssel abermals.

Aktueller Streitpunkt ist die vorzeitige Pensionierung von Richtern am Obersten Gericht Polens. Seit dem 3. Juli 2018 greift eine Reform, wonach die obersten Richter bereits mit 65 statt bisher 70 Jahren in den Ruhestand gehen müssen. Die Regelung trifft 27 von 72 obersten Richtern. Wer im Amt bleiben will, muss dies bei Staatspräsident Andrzej Duda beantragen. Kritiker monieren, so könnten nicht genehme Richter vorzeitig entfernt werden.

Polen konnte die Bedenken der Kommission nicht ausräumen

Die EU-Kommission hatte deshalb Anfang Juli ein Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge gegen Polen eingeleitet. In einer Stellungnahme wies die polnische Regierung daraufhin die Vorwürfe aus Brüssel zurück und betonte, die Organisation des Justizsystems liege laut EU-Verträgen allein in der Zuständigkeit der Mitgliedsländer. Also gebe es keinen Verstoß gegen allgemeines EU-Recht. Im Übrigen schränke die Senkung des Pensionsalters die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nicht ein.

Die EU-Kommission ließ das nicht gelten. "Die rechtlichen Bedenken der Kommission werden durch die Antwort der polnischen Behörden nicht ausgeräumt", erklärte sie nun. "Die Europäische Kommission hält daran fest, dass das polnische Gesetz über das Oberste Gericht gegen EU-Recht verstößt." Die polnischen Behörden hätten einen Monat Zeit, um "die erforderlichen Maßnahmen" zu treffen. Ansonsten könne die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Das polnische Außenministerium sagte am Dienstagnachmittag eine fristgerechte Antwort auf die Bedenken zu. Doch bemängelte das Ministerium, die Kommission sei auf Polens Argumente nur sehr allgemein eingegangen und habe im Wesentlichen ihre bekannte Haltung wiederholt.

Vertragsverletzungsverfahren ist eines von vielen

Im Streit über die polnischen Justizreformen ist dies nur eines von mehreren Vertragsverletzungsverfahren. Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der Gerichte, die Gewaltenteilung und damit EU-Grundwerte in Polen in Gefahr. Schon seit 2016 versucht die Behörde deshalb, die Justizreformen der rechtskonservativen Regierungspartei PiS zu stoppen oder abzumildern.

Darüber hinaus startete die Kommission im Dezember 2017 erstmals überhaupt ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen möglicher Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen.

Das Artikel-7-Verfahren ist viel weitreichender als normale Vertragsverletzungsverfahren: Es kann im äußersten Fall zum Entzug von Stimmrechten im EU-Ministerrat führen. Die Mitgliedstaaten haben Polen bereits einmal angehört und beraten voraussichtlich im Herbst, wie es weiter geht.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

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EU-Kommission will Polen wegen Richterpensionierung verklagen: Monatsfrist für die Rechtsstaatlichkeit . In: Legal Tribune Online, 15.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30345/ (abgerufen am: 26.09.2023 )

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