Druckversion
Montag, 27.11.2023, 01:56 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/rechtsausschuss-netzpolitik-mass-range-drohung-entlassung-patt/
Fenster schließen
Artikel drucken
16657

Netzpolitik-Affäre im Rechtsausschuss: Neuer Schla­g­ab­tausch zwi­schen Maas und Range

19.08.2015

netzpolitik.org

(c) Screenshot

Hat die Justiz-Staatssekretärin dem Generalbundesanwalt wirklich mit Entlassung gedroht, falls er seine Ermittlungen gegen die Blogger von Netzpolitik.org fortsetzen sollte? Im Rechtsausschuss stand Aussage gegen Aussage. Die Sicht des BMJV liegt schriftlich vor, veröffentlicht bei netzpolitik.org.

Anzeige

Bei einer Sitzung des Rechtsausschusses zur Netzpolitik-Affäre haben Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und der von ihm in den einstweiligen Ruhestand versetzte Generalbundesanwalt Harald Range einander heftig widersprochen. Das berichteten Mitglieder des Bundestagsausschusses am Mittwoch nach einer nicht-öffentlichen Sitzung. Dabei ging es um die inzwischen eingestellten Ermittlungen gegen zwei Blogger von Netzpolitik.org.

Range beharrt darauf, Justiz-Staatssekretärin Stefanie Hubig habe ihm in einem Telefonat die Weisung erteilt, den Auftrag für ein externes Gutachten zurückzuziehen und die Ermittlungen wegen Landesverrats einzustellen. Sie habe ihm gesagt, falls er sich weigern sollte, würde ihn das seinen Job kosten. Dem widersprachen Maas und Hubig, die ebenfalls befragt wurde. Range traf in der Sitzung erstmals seit Beginn der Affäre auf seinen ehemaligen Dienstvorgesetzten* Maas. Sie grüßten einander höflich.

Die Opposition kritisierte vor allem den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Beide hatten sich am Mittwoch entschuldigen lassen und Vertreter in den Ausschuss geschickt. "Die ganze Geschichte wurde im BfV ausgeheckt, und der Einzige, an dem es jetzt hängenbleibt, ist Maas", sagte Konstantin von Notz von den Grünen.

BMJV: einvernehmlich und in Unkenntnis des Ergebnisses des Gutachtens

Der Bundesjustizminister hatte über seinen Staatssekretär Christian Lange am Dienstag eine ausführliche schriftliche Erklärung gegenüber dem Rechtsausschuss abgegeben, welche Netzpolitik.org veröffentlicht hat.

Staatssekretär Lange hält in diesem Schreiben, dessen Inhalt und Versendung an den Ausschuss das Bundesjustizministerium (BMJV) gegenüber LTO bestätigte, daran fest, dass man Ende Juli einvernehmlich mit Range und in Unkenntnis des Ergebnisses beschlossen habe, das externe Gutachten, welches der GBA in Auftrag gegeben hatte, nicht fertigstellen zu lassen, sondern durch eine rechtliche Einschätzung der Strafrechtsabteilung des BMJV zu ersetzen. Vom GBA über die Einholung dieses externen Gutachtens informiert worden ist das BMJV nach eigenen Angaben "am 17. Juli, mit Schreiben vom 2. Juli". Der externe Gutachter, der prüfen sollte, ob Staatsgeheimnisse veröffentlicht wurden, ist laut Lange Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich von der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.

Das Ministerium bleibt auch dabei, dass die Staatssekretärin erstmalig bereits am 21. April, also vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, gegenüber dem GBA auf die Bedeutung der Pressefreiheit "und die besondere Brisanz der Sache" hingewiesen und besondere Sorgfalt angemahnt habe. Ebenso vage wie unbelegt bleibt die Behauptung, dass nach Kenntnis von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens die "Zweifel im BMJV" daran, dass die Macher von netzpolitik.org die Absicht hatten, durch die Veröffentlichung die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, "Anfang Juni der Bundesanwaltschaft mitgeteilt" worden seien.

Der geschasste Range berichtete am Rande der Sitzung des Rechtsausschusses, er erhalte für seine Haltung in dieser Affäre bis heute Zuspruch von vielen Menschen. Abgeordnete der Grünen sagten, sie hätten sich gewünscht, Range hätte in der Affäre um die Spionagevorwürfe gegen den US-Nachrichtendienst NSA genauso viel Ehrgeiz an den Tag gelegt wie bei den Ermittlungen gegen die Blogger.

Der Verfassungsschutz hatte nach der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente im vergangenen Frühjahr zwei Strafanzeigen gegen die Blogger gestellt. Range leitete daraufhin gegen die Macher des Blogs Netzpolitik.org Ermittlungen wegen Landesverrats ein. Als sich Range Anfang August nach mehreren Telefonaten mit dem Ministerium über einen "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" beklagte, schickte ihn Maas in den Ruhestand. Kurz darauf wurden die Ermittlungen eingestellt.

dpa/pl/ms/LTO-Redaktion

* Anm. d. Red.: Fälschlich stand hier zunächst, dass Bundesjustizminister Heiko Maas der - ehemalige - Dienstherr von Generalbundesanwalt Harald Range gewesen sei. Dies ist nicht korrekt, Dienstherr ist der Bund. Daher unsere Korrektur hin zum "Dienstvorgesetzten" am 19.08., 18:31 Uhr. (pl)

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Netzpolitik-Affäre im Rechtsausschuss: Neuer Schlagabtausch zwischen Maas und Range . In: Legal Tribune Online, 19.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16657/ (abgerufen am: 29.11.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Blogs
    • Bundesanwaltschaft
    • Geheimdienste
    • Geheimnisverrat
    • Justiz
    • Landesverrat
    • Maas (Heiko)
28.11.2023
Schadensersatz

AG Köln spricht Land NRW Schadensersatz zu:

Trau­ben­zu­cker löste Groß­e­in­satz aus

Während einer Sicherheitskontrolle bei Gericht weißes Pulver zu verstreuen, ist keine gute Idee. Auch wenn es nur Traubenzucker war, wurde damit ein Großeinsatz ausgelöst. Ein Mann muss deswegen Schadensersatz an das Land NRW leisten.

Artikel lesen
27.11.2023
Sexueller Missbrauch

Bild-Zeitung scheitert vorm BVerfG:

Gericht darf in Miss­brauch­s­pro­zess Geheim­hal­tung ver­langen

Das OLG Köln verbot Journalisten, über die Zeugenaussage eines mutmaßlich Betroffenen von Missbrauch in der Kirche zu berichten. Die Bild-Zeitung zog deshalb vors BVerfG, das die Verfassungsbeschwerde aber nicht zur Entscheidung annahm.

Artikel lesen
28.11.2023
Gil Ofarim

Sechster Verhandlungstag im Prozess gegen Gil Ofarim:

Die Hin­ter­gründe zum über­ra­schenden Geständnis

Im Prozess wegen falscher Verdächtigung führt das Geständnis Gil Ofarims zur Einstellung gegen Geldauflage, das Gericht sieht nur Gewinner, der Verteidiger verrät die Hintergründe und der Zentralrat der Juden spricht von großem Schaden. 

Artikel lesen
28.11.2023
Studium

LG Koblenz zur Kündigung von Studienvertrag:

Trink­ge­lage mit Ers­ties beein­träch­tigt Ansehen der Hoch­schule

Weil er in seiner Wohnung eine Feier mit viel Alkohol für Erstsemester veranstaltete, hat eine private Hochschule den Studienvertrag eines Drittsemester-Studenten gekündigt. Die fristlose Kündigung sei rechtmäßig, entschied das LG Koblenz.

Artikel lesen
27.11.2023
Cannabis-Legalisierung

Ampel-Fraktionen einigen sich auf geändertes Cannabisgesetz:

Ent­kri­mi­na­li­sie­rung zum 1. April 2024

Kleinere Konsumverbotszonen, größere erlaubte Menge beim Eigenanbau, dafür aber auch Strafverschärfungen, wenn es um Minderjährige geht: Die Ampel hat sich auf diverse Änderungen des Cannabisgesetzes verständigt.

Artikel lesen
28.11.2023
Gil Ofarim

"Die Vorwürfe treffen zu":

Ver­fahren gegen Ofarim nach Geständnis ein­ge­s­tellt

Im Prozess gegen Gil Ofarim gibt es eine überraschende Wende: Der Musiker legte am Dienstagmorgen ein Geständnis ab. Die Vorwürfe träfen zu, den betroffenen Hotelmanager bat er um Entschuldigung. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Artikel lesen
TopJOBS
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ten­de(w/m/d) Ban­k­auf­sichts­recht

Hogan Lovells International LLP , Frank­furt am Main

Rechts­an­walt (m/w/d) für den Be­reich Cor­po­ra­te/M&A

Bryan Cave Leighton Paisner , Ham­burg

Rechts­an­wäl­tin­nen und Rechts­an­wäl­te (m/w/d)

ALTENBURG , Ber­lin

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ten­de (w/m/d) Bank- und Ka­pi­tal­markt­recht/DCM...

Hogan Lovells International LLP , Frank­furt am Main

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ten­de (w/m/d) In­fra­struc­tu­re, En­er­gy, Re­sour­ces &...

Hogan Lovells International LLP , Frank­furt am Main

Re­fe­ren­da­rin/Re­fe­ren­dar (w/m/d) Bank- und Ka­pi­tal­markt­recht/DCM (Debt...

Hogan Lovells International LLP , Frank­furt am Main

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/x) - En­er­gie­wirt­schafts­recht

Freshfields Bruckhaus Deringer , Düs­sel­dorf

Re­fe­ren­da­rin/Re­fe­ren­dar (w/m/d) Ban­k­auf­sichts­recht

Hogan Lovells International LLP , Frank­furt am Main

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Update Equal Pay und Entgelttransparenz 2023

29.11.2023

AFTER WORK - GET TOGETHER

30.11.2023, Berlin

Mobiles Arbeiten mit der E-Akte

29.11.2023

Fortbildung Familienrecht im Selbststudium/ online

29.11.2023

Kölner Tage Umsatzsteuer 2023

30.11.2023, Köln

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH