Bundesweite Ermittlungen: Raz­zien wegen Internet-Hetze im Fall Lübcke

04.06.2020

Kassels erschossener Regierungspräsident wurde Opfer von Hassbeiträgen im Internet. Nun gehen die Ermittler bundesweit gegen mutmaßliche Urheber vor. Gleichzeitig nennt das OLG Frankfurt Details zum anstehenden Mordprozess. 

Wegen Internet-Hetze gegen den erschossenen Regierungspräsidenten Walter Lübcke sind Ermittler am Donnerstag bundesweit gegen 40 Beschuldigte vorgegangen. Es habe in zwölf Bundesländern Durchsuchungen und Vernehmungen gegeben, erklärte eine Sprecherin des Landeskriminalamts (LKA) in Wiesbaden. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, sich mit Äußerungen über den CDU-Politiker in sozialen Netzwerken strafbar gemacht zu haben. 
 
Die Aktion sei eine Zusammenarbeit der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, des Hessischen LKA sowie weiterer Staatsanwaltschaften in elf Bundesländern. In Hessen werden fünf Männer und eine Frau im Alter von 25 bis 62 Jahren beschuldigt. Sie leben in Kassel, Marburg, Darmstadt, im Werra-Meißner-Kreis sowie den Kreisen Gießen und Darmstadt-Dieburg. Vorgeworfen wird ihnen öffentliche Aufforderung zu Straftaten, die Billigung von Straftaten und das Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener. 
 
Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses im Kreis Kassel mit einem Kopfschuss getötet worden. Auslöser der Tat sollen Äußerungen Lübckes zur Aufnahme von Flüchtlingen gewesen sein. Die Ermittler gehen von einer rechtsextremistischen Motivation des Schützen aus. Der Hauptverdächtige Stephan E. und ein mutmaßlicher Unterstützer stehen ab Mitte Juni vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. Bereits vor der Tat hatte Lübcke Morddrohungen erhalten. Auch nach seinem Tod gab es abfällige Kommentar im Netz - mutmaßlich aus der rechten Szene. 

Stopp-Signal des Rechtsstaats 

Nach dem Mord war das Thema Internet-Hetze bundesweit in den Fokus gerückt. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und das LKA ermitteln deswegen seit Mitte September. Dabei seien zahlreiche Kommentare gesichert und einer strafrechtlichen Bewertung unterzogen worden, erklärte die LKA-Sprecherin. 
 
"Wer im virtuellen Raum hetzt und Hass schürt, muss ganz reale Grenzen aufgezeigt bekommen", sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) zu der Aktion. Der Rechtsstaat habe damit ein Stopp-Signal gegen "die geistigen Brandstifter, Aufwiegler und Hetzer gesetzt". 
 
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Menschenverachtende Drohungen und Diffamierungen schaffen ein gefährliches Klima der Gewalt." Dem Mord an Walter Lübcke sei widerliche Hetze im Netz vorausgegangen. "Deshalb muss klar sein: Wer Menschen bedroht, muss mit konsequenter Strafverfolgung rechnen." 

Ausblick auf den Prozess

Unterdessen gab das OLG Frankfurt am Donnerstag einen Ausblick auf den Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder: Die Familie von Lübcke werde mit drei Personen als Nebenkläger im Prozess teilnehmen. Es handele sich um die Witwe und ihre beiden Söhne, sagte der Präsident des OLG Frankfurt Roman Poseck. Auch ein irakischer Flüchtling trete in dem Mordprozess als Nebenkläger auf. Der Hauptverdächtige Stephan E. soll ihn im Jahr 2016 niedergestochen haben. 
 
Das Verfahren werde unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden, sagte Poseck. Zudem stehen wegen Corona-Auflagen nur rund ein Drittel der sonst vorhandenen Plätze für Zuschauer und Medienvertreter im Hochsicherheitssaal 165 c zur Verfügung. Zuschauer wie auch Medienvertreter müssen sich in einer Schlange außerhalb des Justizgebäudes für einen Platz anstellen – im Abstand von 1,5 Metern. 
 
Das OLG habe erwogen, das Verfahren in eine Räumlichkeit außerhalb des Justizgebäudes zu verlegen - wie es Landgerichte in Hessen derzeit praktizierten, sagte Poseck. Man habe sich aber unter anderem wegen der sehr hohen Sicherheitsanforderungen des Verfahrens dagegen entschieden. Insgesamt gibt es rund 25 Verfahrensbeteiligte. Angeklagt ist neben Stephen E. auch sein mutmaßlicher Unterstützer Markus H., hinzu kommen jeweils zwei Verteidiger, Vertreter der Bundesanwaltschaft sowie die vier Nebenkläger mit ihren Rechtsbeiständen. Das OLG berichtete von 240 Aktenordnern, die aneinandergestellt 20 Meter messen. 
 
Das Hauptverfahren wurde vergangenen Dienstag eröffnet - am Jahrestag der Ermordung Lübckes. Dass es bereits zum Prozess komme, zeige die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaats trotz der Corona-Pandemie, sagte Poseck. 

dpa/vbr/LTO-Redaktion 

Zitiervorschlag

Bundesweite Ermittlungen: Razzien wegen Internet-Hetze im Fall Lübcke . In: Legal Tribune Online, 04.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41809/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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