Seit 2017 können Opfer, die im Strafverfahren als Zeuge aussagen müssen, professionelle Unterstützung bekommen. Trotz weniger Beiordnungen als erwartet hält das BMJV das Projekt, an dem auch Hunde mitwirken, für vielversprechend.
Die im Jahr 2017 eingeführt sog. psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren hat sich nach Auffassung des Bundesjustizministeriums (BMJV) bewährt. Die Erfahrungen mit der Anwendung der Vorschriften hat das BMJV in einem Bericht an den Normenkontrollrat zusammengetragen. Die Resonanz aus Verbänden und Ländern sei durchweg positiv, auch wenn die bisherigen Beiordnungszahlen hinter den Erwartungen zurückblieben. Deshalb will das BMJV nun weitere Verbesserungen und Erweiterungen der Regelungen prüfen.
Die Regelungen zur psychosozialen Prozessbegleitung wurden eingeführt, um die Belastungen für Opfer während der Strafverfahren möglichst abzumildern. So werde Betreuung und Unterstützung durch qualifizierte Fachkräfte bereitgestellt. Diese haben laut Bericht fachliche Qualifikationen wie einen Hochschulabschluss oder eine Berufsausbildung im Bereich Sozialpädagogik oder Soziale Arbeit und darüber hinaus eine Weiterbildung zum psychosozialen Prozessbegleiter. Neben individuell abgestimmter Hilfe kommen die Prozessbegleiter mit zu Vernehmungen, sie informieren über die Verfahrensabläufe und verschaffen räumliche Orientierung vor Ort. Aber auch die Erteilung von Informationen und Hilfestellungen bei der Bewältigung von Alltagsproblemen sind laut BMJV-Bericht möglich.
Helfen können nicht zwingend nur Menschen: In Baden-Württemberg scheinen Vierbeiner diesen Job mindestens genauso gut zu machen. Der Golden Retriever Watson sowie der Labrador Henry begleiten Zeug:innen vor Gericht, wenn diese das möchten. Sie gehören zum PräventSozial Bewährungshilfe Stuttgart e.V., der laut seiner Webseite vierbeinige Unterstützung anbietet, wenn die Zeug:innen von einem schweren Gewalt- oder Sexualdelikt betroffen oder besonders schutzbedürftig sind. Das sei beispielsweise bei kindlichen und jugendlichen Zeug:innen oder Menschen mit geistiger Behinderung der Fall. Dank der Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin und der blutdrucksenkenden Wirkung bei einer Grundaffinität zu Hunden könne bei der Zeugenvernehmung ein Gefühl der Entspannung ausgelöst werden. Auf Instagram kann man das Leben der fleißigen Hunde verfolgen.
Die Zahlen entsprechen noch nicht den Erwartungen
Trotz derart positiver Beispiele hat sich laut Bericht des BMJV aber herausgestellt, dass die bisherigen Beiordnungszahlen hinter den prognostizierten Erwartungen zurückgeblieben und daher noch steigerungsfähig seien. Auch deshalb will das BMJV nun die Öffentlichkeitsarbeit verbessern, um die Möglichkeiten der psychosozialen Betreuung bei möglicherweise Betroffenen, aber auch bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten bekannter zu machen.
Prüfungs- und Nachbesserungsbedarf sieht das Ministerium zudem in Sachen Antragserfordernis. Das BMJV plant, bei Minderjährigen das Antragserfordernis aufzuheben oder das Antragsrecht auf die Staatsanwaltschaft zu übertragen. Auch Opfer von häuslicher Gewalt sollen leichter Unterstützung bekommen. Zudem müsse die Vergütung für die Prozessbegleiter:innen auf Angemessenheit und Auskommen überprüft werden.
In Baden-Württemberg befindet sich übrigens auch ein Kollege von Watson und Henry in der Ausbildung. Der Schäferhund Al Capone soll jedoch nicht den Opfern helfen, sondern den Tätern. Für ihn ist der Einsatz bei der Behandlung und Rehabilitation straffälliger Menschen geplant.
Positive Bilanz für psychosoziale Prozessbegleitung: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44299 (abgerufen am: 15.10.2024 )
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