Pro-russischer Autokorso in Berlin: "Keine Mög­lich­keit, die Ver­samm­lung zu ver­bieten"

05.04.2022

Hunderte von Autos fahren quer durch Berlin, viele mit russischen Fahnen - an dem Tag, an dem Gräueltaten an Zivilisten in der Ukraine die Welt erschüttern. Politik und Polizei zeigten sich entsetzt, können es aber nicht verbieten.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey will Unterstützungsbekundungen für den Angriffskrieg gegen die Ukraine bei pro-russischen Demonstrationen unterbinden. "Das wird strafrechtlich verfolgt", sagte die SPD-Politikerin am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Gleichzeitig räumte sie ein: "Aber diese Demonstration an sich, das Zeigen der russischen Fahne, ist nicht verboten und wir können es deshalb nicht verbieten."

Am Sonntag nahmen rund 900 Menschen mit rund 400 Autos an einer Demonstrationsfahrt durch Berlin teil. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat den Autokorso mit russischen Fahnen scharf kritisiert. "Um Himmels willen, wie konnten SIE diesen Auto-Corso der Schande mitten in Berlin zulassen?", schrieb Melnyk am Montag auf Twitter an Giffey und die Polizei.

Giffey zeigte Verständnis für die Kritik und teilte mit, sie verstehe den Ärger. Der Autokorso sei als Demonstration gegen die "sich aktuell verschärfende Diskriminierung russischsprachiger Menschen in unserer Stadt" angemeldet gewesen.

"Versammlung [ist] dennoch Bestandteil unserer Demokratie"

Melnyk betonte in seinem Tweet, dass der Autokorso ausgerechnet an dem Tag stattfand, an dem die russischen Massaker an ukrainischen Zivilisten in Butscha ans Licht gekommen seien. Nach dem Rückzug russischer Truppen aus dem Gebiet rund um die ukrainische Hauptstadt Kiew hatten am Sonntag Fotos von getöteten Menschen in Butscha für Entsetzen gesorgt.

"So schwer es gesellschaftlich zu ertragen ist, vor allem vor dem Hintergrund der Ereignisse in Butscha, ist eine solche Versammlung dennoch Bestandteil unserer Demokratie - und grundgesetzlich geschützt", teilte die Berliner Polizei zu Melnyks Kritik mit. "Unter demokratischen, rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gab es keine Möglichkeit, die Versammlung zu verbieten."

Der Autokorso trug als angemeldete Demonstration offiziell den Titel: "Keine Propaganda in der Schule - Schutz für russischsprechende Leute, keine Diskriminierung". Anmelder war nach Angaben der Polizei eine Einzelperson. Der Korso startete an der Stadtgrenze im Nordosten Berlins und endete am Olympischen Platz im Westen. An zahlreichen Autos waren Fahnen in den russischen Farben Weiß-Blau-Rot zu sehen. Auch ein sogenanntes Z-Symbol zur Unterstützung des Angriffskrieges in der Ukraine sei gezeigt worden, sagte Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD).

Fahrerin mit "Z"-Symbol am Auto wird strafrechtlich verfolgt

Giffey betonte: "Ich verurteile jegliche Äußerung, die den russischen Angriffskrieg verharmlost oder legitimiert, auf das Schärfste." Daher sei das Auto mit dem in Berlin verbotenen Z-Zeichen herausgezogen worden. Der Vorgang werde jetzt strafrechtlich verfolgt. Mit dem "Z", das auf viele russischen Militärfahrzeugen gemalt ist, will Russland die Ukraine-Invasion populär machen. Strafbar ist das Zeigen nach § 140 Strafgesetzbuch (StGB), wenn der Verwender damit den rechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine billigt.

Giffey wies darauf hin, dass für die Demonstration die Versammlungsfreiheit gegolten habe. Im Übrigen stehe Berlin an der Seite Ukraine. Sie stehe zudem in gutem Kontakt zu Melnyk und habe mit ihm mehrfach über die Hilfe für die Ukraine und die Versorgung Tausender Flüchtlinge gesprochen.

Der verfassungsschutzpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Stephan Standfuß, forderte dagegen, Berlin dürfe keine Bühne für Putins Kriegspropaganda sein. "Wir wollen wissen, welche Verbindungen des Einzelanmelders bestehen, inwieweit dies aus Moskau gesteuert worden ist. Für uns ist das ein klarer Auftrag an den Verfassungsschutz", sagte Standfuß am Montag. "Weitere Aufzüge dieser Art müssen mit mehr Sensibilität durch den Senat begleitet werden."

"Schande für Berlin" zumindest mit Auflagen verhindern

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Balzer,  kritisierte den Senat ebenfalls deutlich: "Die Bilder vom pro-russischen Autokorso am Sonntag sind eine Schande für Berlin als Stadt der Freiheit." Und weiter: "Warum war es SPD-Innensenatorin Spranger nicht möglich, durch angemessene Auflagen zu verhindern, dass diese Demo durch weite Teile der Stadt und insbesondere am Hauptbahnhof vorbeiführen konnte, dem Ankunftsort Tausender Flüchtlinge aus der Ukraine?"

Demonstrationen müssen nicht von der Versammlungsbehörde genehmigt werden. Die Veranstalter sprechen mit der Polizei grundsätzlich im Rahmen eines Kooperationsgespräches über Ort, Zeit, Titel und die erwartete Zahl der Menschen mit, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Komplett verboten werden kann eine Demonstration nur unter ganz bestimmten Umständen, wenn sie etwa den öffentlichen Frieden stört, indem gegen eine nationale, religiöse oder ethnische Gruppe zum Hass aufgestachelt oder zu Gewalt aufgefordert wird.

Innenstaatssekretär Akmann kündigte an, Gedenkveranstaltungen mit russischer Beteiligung zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. und 9. Mai sollten von der Berliner Polizei besonders aufmerksam begleitet werden. In diesem Jahr sei wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine für die Veranstaltungen an den Sowjetischen Ehrenmälern "eine nochmals gesteigerte Sensibilität zwingend notwendig". Darauf sei die Polizei vorbereitet.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Pro-russischer Autokorso in Berlin: "Keine Möglichkeit, die Versammlung zu verbieten" . In: Legal Tribune Online, 05.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48045/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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