"Es wird alles schlimmer!" Gerade bei der Kriminalität wird das oft behauptet. Die Zahlen der Polizei zeigen in der Langzeitbetrachtung aber das Gegenteil: Es werden immer weniger Straftaten gezählt. Also alles gut? So einfach ist es nicht.
Die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten in Deutschland einschließlich der Gewaltkriminalität hat 2021 auf dem niedrigsten Niveau seit der Jahrtausendwende gelegen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Experten erklären das unter anderem mit einer Verschiebung von Kriminalität in den Cyberbereich und auch mit Corona.
Die Angaben basieren auf der jährlich veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), bilden also ab, welche Straftaten der Polizei bekannt geworden sind, etwa durch Anzeige. Nach 6,3 Millionen Straftaten im Jahr 2000, einem Höchststand von 6,6 Millionen im Jahr 2004 und stetigem Rückgang seit 2017 wurden 2021 5,05 Millionen Straftaten gezählt - das niedrigste Niveau der vergangenen 21 Jahre.
"Die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland Opfer einer Straftat zu werden, insbesondere im Bereich der Gewaltdelikte, ist in den vergangenen Jahren geringer geworden. Das ist Fakt", sagte Oliver Huth, Bundesvorstandsmitglied des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) der dpa. "Wir sind ein sicheres Land. Das darf man grundsätzlich so sagen."
Gewaltkriminalität auf Tiefstand
Mord, Totschlag, schwere Körperverletzung, Vergewaltigung oder Raub zählen zur Gewaltkriminalität. Die Statistik weist hier für 2021 rund 165.000 registrierte Taten aus, insgesamt der niedrigste Stand seit dem Jahr 2000 (187.000). Der Höchststand lag 2007 bei 218.000 Fällen.
Die Zahlen bei Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen bewegen sich zwischen etwa 2.100 und 2.500 registrierten Fällen pro Jahr. 2111 erfasste Fälle waren es 2021 - ein Tiefstand. Bei den Delikten Vergewaltigung und sexuelle Nötigung wurden bis 2016 jährlich zwischen 7.000 und 8.800 Fälle gezählt. 2017 gab es einen Anstieg auf 11.300 Fälle, 2021 waren es 9.900. Das Bundesinnenministerium weist darauf hin, dass die Zahlen ab 2017 "nicht bzw. nur eingeschränkt" mit denen der Vorjahre verglichen werden könnten. 2016 wurden im Sexualstrafrecht neue Straftatbestände geschaffen, die nun mitgezählt werden, zum Beispiel das "Begrapschen" und sexuelle Belästigung aus einer Gruppe heraus.
Mit 155.000 registrierten Fällen gab es in dem Bereich der gefährlichen und schweren Körperverletzung 2007 einen Höhepunkt, im Jahr 2000 waren es 117.000, 21 Jahre später gut 122.000. Ein stetiger Rückgang ist in der Statistik auch bei Raub und räuberische Erpressung zu erkennen: Anfang der 2000er Jahre wurden hier knapp 60.000 Fälle pro Jahr gezählt. 2021 lag die Zahl mit gut 30.000 auf einem Tiefstand und nur noch bei der Hälfte.
Noch vor wenigen Jahren waren Einbrüche das große Thema. Die Politik schob sogar eine Förderung für einbruchssichere Wohnungs- und Balkontüren an. 167.000 gemeldete Fälle gab es 2015 – ein Höchststand. 2021 waren es weniger als ein Drittel: 54.000 Fälle, der niedrigste Stand seit der Jahrtausendwende.
Auch bei der sogenannten Straßenkriminalität (unter anderem Taschendiebstähle, Straftaten aus Gruppen, Landfriedensbruch, Auto- oder Fahrraddiebstähle) und bei Diebstählen insgesamt gab es 2021 Tiefstände.
"Strukturellen Veränderung der Kriminalität"
Die sinkenden Zahlen bedeuten nicht, dass Kriminalität verschwindet. Experten sehen vielmehr eine Verschiebung. "Wenn früher Täter geraubt und geklaut haben, gibt es nun viele, die sich auf Delikte spezialisiert haben, die sich auf Kommunikation mit dem Opfer konzentrieren", sagte Huth. Der Kriminalbeamte nannte etwa Betrug im Internet oder Identitätsdiebstahl.
Beim Bundeskriminalamt (BKA) ist von einer "strukturellen Veränderung der Kriminalität" die Rede. Eigentumskriminalität gehe zurück, dafür hätten sich Cybercrimedelikte seit 2015 etwa verdoppelt, hatte BKA-Präsident Holger Münch im April bei der Vorlage der Kriminalstatistik 2021 gesagt. Er sprach auch von einer Verschiebung aus dem "analogen Hellfeld" - Eigentumsdelikte würden schon aus Versicherungsgründen sehr oft angezeigt - in ein "digitales Dunkelfeld" mit niedriger Anzeigenquote.
Nicht zuletzt hatte wohl auch Corona einen positiven Effekt auf die Kriminalitätszahlen, wegen der Einschränkungen des öffentlichen Lebens in den vergangenen zwei Jahren: "Keine Kneipenschlägerei ohne Kneipe", sagte Huth.
Die AfD wollte mit ihrer Anfrage von der Bundesregierung vor allem wissen, wie sich der Anteil der "nichtdeutschen Tatverdächtigen" in den verschiedenen Bereichen seit der Jahrtausendwende entwickelt hat. Den Regierungsangaben zufolge lag er bei den Straftaten insgesamt im Jahr 2000 bei knapp 26 und 2021 bei knapp 34 Prozent, bei der "Gewaltkriminalität" bei 27 und zwei Jahrzehnte später bei 38 Prozent, mit einem Höchststand im Jahr 2016 von 40 Prozent. Die Anzahl eingewanderter Krimineller sei erschreckend, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Stephan Brandner. Rechtsstaat und Justiz agierten nachlässig und wenig abschreckend, meinte der AfD-Politiker.
Als "nichtdeutsche Tatverdächtige" stuft das BKA alle Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ein. Das können auch EU-Bürger, Grenzpendler oder Touristen sein.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Polizeiliche Kriminalstatistik 2021: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49155 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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