Druckversion
Mittwoch, 31.05.2023, 19:27 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/polen-ungarn-klage-eugh-rechtsstaatsklausel-eu-haushalt/
Fenster schließen
Artikel drucken
44474

EU-Haushalt: Polen und Ungarn klagen gegen EU-Rechts­staats­klausel

11.03.2021

Schild am EuGH-Gebäude in Luxemburg

EdNburg - stock.adobe.com

Nach einem Veto von Ungarn und Polen gegen den langjährigen EU-Haushalt gelang Ende 2020 in letzter Minute ein Kompromiss. Knackpunkt des Streits war die neue Rechtsstaatsklausel. Nun ziehen die beiden Länder dagegen vor den EuGH.

Anzeige

Polen und Ungarn klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die neue Rechtsstaatsklausel im EU-Haushalt. Dies teilte die Regierung in Warschau am Donnerstag mit. Die ungarische Justizministerin Judit Varga schrieb am Donnerstag auf ihrer Facebook-Seite: "Wir können nicht zulassen, dass diese EU-Bestimmung, die schwerwiegend gegen EU-Recht verstößt, in Kraft bleibt". Der EuGH bestätigte den Eingang der Klagen.

Die obersten EU-Richter sollen prüfen, ob der neue Mechanismus zur Kürzung von EU-Geldern bei bestimmten Rechtsstaatsverstößen zulässig ist. Die Machtprobe Ungarns und Polens mit der EU geht damit in die nächste Runde.

Die beiden Länder lehnen den neuen Rechtsstaatsmechanismus im mehrjährigen EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 ab. Sie befürchten, dass der Mechanismus darauf abzielt, ihnen wegen umstrittener politischer Projekte EU-Mittel zu kürzen. Beide Länder bekommen netto hohe Milliardenbeträge aus dem EU-Haushalt. Gegen beide läuft zugleich ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen mutmaßlicher Missachtung von EU-Grundwerten.

Klage bereits angekündigt

Warschau und Budapest hatten wegen des Streits Ende 2020 zeitweise den neuen EU-Haushaltsrahmen inklusive der geplanten Corona-Hilfen mit einem Gesamtvolumen von 1,8 Billionen Euro blockiert. Als Kompromiss handelte Deutschland - damals im Ratsvorsitz – eine Zusatzerklärung zum Rechtsstaatsmechanismus aus, die letztlich alle 27 EU-Staaten akzeptierten. Zentraler Punkt war die Klarstellung, den Mechanismus vom EuGH überprüfen zu lassen. Ungarn und Polen hatten bereits angekündigt, davon Gebrauch zu machen. 

Man gehe davon aus, dass diese Lösung keine rechtliche Grundlage in den EU-Verträgen habe, sagte der polnische Regierungssprecher Piotr Müller. Sie beeinträchtige die Kompetenzen der EU-Staaten und verstieße gegen EU-Recht.

Ob die Klage die Rechtsstaatsklausel schwächt, verzögert oder gar zunichtemacht, wurde nach dem Kompromiss Ende 2020 unterschiedlich bewertet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sah die Wirkung nicht eingeschränkt. "Es geht kein einziger Fall verloren", sagte sie damals. Die EU-Kommission werde mögliche Fälle im Rahmen des neuen Mechanismus betrachten. "Wenn ein Bruch der Rechtsstaatlichkeit vorliegt, dann wird dieser Fall aufgenommen." Sobald der EuGH geurteilt habe, würden diese Fälle abgearbeitet. Kritiker fürchten aber, dass die Anwendung der Klausel um viele Monate hinausgezögert wird.

Die Zusatzerklärung zum Rechtsstaatsmechanismus erläutert auch, dass die Feststellung eines Rechtsstaatsverstoßes allein nicht ausreicht, um EU-Finanzhilfen zu kürzen. Vielmehr muss erwiesen werden, dass der Verstoß negative Auswirkungen auf die Verwendung von EU-Geld hat. In strittigen Fragen muss sich der Rat der Staats- und Regierungschefs mit dem Thema beschäftigen.

dpa/acr/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

EU-Haushalt: Polen und Ungarn klagen gegen EU-Rechtsstaatsklausel . In: Legal Tribune Online, 11.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44474/ (abgerufen am: 31.05.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Europa- und Völkerrecht
    • Europa
    • Haushalt
    • Polen
    • Rechtsstaat
    • Ungarn
  • Gerichte
    • Europäischer Gerichtshof (EuGH)
30.05.2023
Patente

Gemeinsame europäische Gerichtsbarkeit:

Neues Ein­heit­li­ches Pat­ent­ge­richt nimmt Arbeit auf

Am 01. Juni wird das neue EU-Einheitspatent eingeführt. Streitigkeiten darüber werden zukünftig an einem neuen Einheitlichen Patentgericht geführt. In Deutschland nehmen fünf Standorte des Gerichts ihre Arbeit auf. 

Artikel lesen
24.05.2023
Markenrecht

EuG zum Markenrecht:

Bran­chen­ver­band kann "Emmen­taler" nicht schützen lassen

Emmentaler Käse werde von vielen deutschen Verbrauchern als Käsesorte und nicht als Marke verstanden, findet das EuG. Entsprechend könne der Begriff nicht markenrechtlich geschützt werden, entschied das EuG.

Artikel lesen
31.05.2023
Leiharbeit

BAG zum Gleichstellungsgrundsatz:

Kein Equal Pay für Leih­ar­beiter

Leiharbeiter dürfen für dieselbe Arbeit schlechter bezahlt werden als Stammarbeitnehmer des entleihenden Unternehmens, so das BAG. Diese Ungleichbehandlung werde schließlich auf anderem Wege kompensiert.

Artikel lesen
31.05.2023
beA

BGH zu an falsches Gericht adressierten Schriftsatz:

Anwalt hat ver­säumte Frist zu ver­schulden

Anwälte müssen ihre Schriftsätze genau überprüfen und dürfen nicht auf ihr gut geschultes Personal vertrauen. Für Fehler durch falsche Angaben müssen sie ggf. einstehen, hat der BGH zu einem per beA falsch versandten Schriftsatz entschieden.

Artikel lesen
29.05.2023
Jurastudium

Videobericht zu Demonstration vor Justizministerkonferenz:

"Die juris­ti­sche Aus­bil­dung darf nicht krank machen!"

Empörte Nachwuchsjuristen gewappnet mit Megaphon und Schildern richten ihre Reform-Forderungen an die in Berlin tagenden Justizminister. Angesichts sinkender Studentenzahlen liegt der Handlungsbedarf auf der Hand. Wie reagiert die Politik? 

Artikel lesen
31.05.2023
Extremismus

OLG Dresden urteilt im Linksextremismus-Prozess:

Über fünf Jahre Haft­strafe für Lina E.

Nach 99 Prozesstagen hat das OLG Dresden das Urteil im Fall Lina E gesprochen. Die Studentin muss für fünf Jahre und drei Monate in Haft, weil sie und Mitangeklagte Personen aus der rechten Szene zusammengeschlagen haben sollen.

Artikel lesen
TopJOBS
Schu­lungs­re­fe­rent ju­ris­ti­sche Soft­wa­re­lö­sun­gen / Cli­ent Trai­ner (m/w/d) -...

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Frank­furt am Main

Geld ver­die­nen als Te­le­fon­an­walt / Te­le­fon­an­wäl­tin

DAHAG Rechtsservices AG , 100% Re­mo­te

Voll­ju­ris­ten (w/m/d)

Statistisches Landesamt Baden-Württemberg , Stutt­gart

Key Ac­co­unt Ma­na­ger Pu­b­lic (Ho­me Of­fice) (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , 100% Re­mo­te

Schu­lungs­re­fe­rent ju­ris­ti­sche Soft­wa­re­lö­sun­gen / Cli­ent Trai­ner (m/w/d) -...

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Han­no­ver

Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz , Wies­ba­den

Voll­ju­rist/in (m/w/d)

CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen , Düs­sel­dorf

Rechts­an­wäl­te (m/w/d) im Be­reich deut­sches und eu­ro­päi­sches Kar­tell­recht ...

Hengeler Mueller , Mün­chen

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
LEGAL ENGLISH FOR NEGOTIATIONS - ONE-DAY CRASH COURSE

12.06.2023

«ChatGPT & Co. - Digitale AI-Avatare als Jurist*innen?»

31.05.2023

Workshop: Überzeugen, nicht langweilen! - Dein erfolgreicher Auftritt vor Publikum

02.06.2023, Düsseldorf

SIDLEY INTERN - Praktikantenprogramm von Sidley Austin

04.09.2023, München

«ChatGPT & Co. - Digitale AI-Avatare als Jurist*innen?»

31.05.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH