Druckversion
Thursday, 21.01.2021, 09:37 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/plaedoyers-nsu-prozess-zschaepe-anwaelte-maximal-zehn-jahre-haft-keine-mittaeterschaft-mord/
Fenster schließen
Artikel drucken
28319

Plädoyers im NSU-Prozess: Zschäpes Anwälte for­dern maximal zehn Jahre Haft

26.04.2018

Frau hinter Gittern

© sakhorn38 - stock.adobe.com

Drei Tage haben Beate Zschäpes Verteidiger plädiert. Sie fordern zwar eine lange Haftstrafe für ihre Mandantin - aber nicht wegen Mordes.

Anzeige

Die Verteidiger der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe haben im NSU-Prozess eine maximal zehnjährige Haftstrafe für ihre Mandantin gefordert. Die heute 43-Jährige solle nur wegen besonders schwerer Brandstiftung und Beihilfe zu mehreren Raubüberfällen verurteilt werden, nicht aber wegen Mittäterschaft oder Beihilfe an den Morden und Bombenanschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Das sagten ihre Vertrauensanwälte Hermann Borchert und Mathias Grasel am Donnerstag am Ende ihres Plädoyers vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG). Auch die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung seien nicht erfüllt.

Die Bundesanwaltschaft hatte für Zschäpe dagegen lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Nach Überzeugung der Anklage war Zschäpe eines von drei gleichberechtigten Mitgliedern der Terrorzelle NSU und sollte deshalb als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen der Gruppe bestraft werden. Dazu zählen zehn Morde, neun davon aus rassistischen Motiven, einer an einer deutschen Polizistin, sowie zwei Bombenanschläge in Köln mit Dutzenden Verletzten. Zschäpe soll alle Taten ihrer Freude Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gewollt und unterstützt und einen Willen zur Tatherrschaft gezeigt haben - auch wenn sie bei den Morden und Anschlägen nicht mit dabei war.

Nur moralisch schuldig

Grasel zitierte mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, mit denen Verurteilungen wegen Mittäterschaft in anderen Fällen kassiert wurden. Dieselben Kriterien würden auch für Beate Zschäpe gelten und stünden einer Verurteilung wegen Mittäterschaft an den Morden im Weg, betonte er. Bei Zschäpe seien allenfalls "Ansatzpunkte erkennbar, die auf ein Interesse am Erfolg der Taten schließen lassen könnten". Dies alles reiche jedoch nicht aus, um eine Tatbeteiligung oder eine Tatherrschaft als gegeben anzunehmen. Vielmehr habe seine Mandantin "keine Einflussmöglichkeit auf die Durchführung der Taten" gehabt.

Ganz am Ende des Plädoyers verwies Borchert darauf, dass Zschäpe habe vortragen lassen, dass sie sich "moralisch schuldig" fühle, auch dass sie die Morde und Bombenanschläge nicht habe verhindern können. "Die moralische Schuld der Mandantin kann jedoch nicht Grundlage für eine Verurteilung im juristischen Sinne sein." Zschäpe sei "Schuld im juristischen Sinne" nur im von ihm vorgetragenen Umfang vorzuwerfen, "so sehr dies auch in moralischer Hinsicht unbefriedigend sein mag".

Die Anklage hatte in ihrem Plädoyer zudem argumentiert, Zschäpe habe mit ihren Komplizen die fanatische nationalsozialistische Gesinnung geteilt und "ein Drittel eines verschworenen Triumvirats" gebildet. Grasel setzte dem entgegen, die Gesinnung sei "als Indiz für eine Tatbeteiligung und eine Tatherrschaft ungeeignet". Er fügte außerdem hinzu, die innere politische Einstellung Zschäpes habe sich weiterentwickelt und verändert. "Aus zahlreichen Gesprächen in den vergangenen Monaten und Jahren bin ich der festen Überzeugung, dass bei Frau Zschäpe heutzutage keinerlei rechtsextremes, staats- oder gesellschaftsfeindliches Gedankengut vorhanden ist", sagte Grasel.

Mit dem Start der Verteidiger-Plädoyers ist das seit Mai 2013 laufende Mammutverfahren in die letzte Etappe gegangen. Nach Borchert und Grasel sollen von der kommenden Woche an die Anwälte der insgesamt vier mitangeklagten mutmaßlichen Terrorhelfer das Wort für ihre Plädoyers bekommen, gefolgt von den drei Altverteidigern Zschäpes, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Wann das Gericht ein Urteil sprechen könnte, ist aber nach wie vor noch nicht abzusehen.

dpa/acr/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Plädoyers im NSU-Prozess: Zschäpes Anwälte fordern maximal zehn Jahre Haft . In: Legal Tribune Online, 26.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28319/ (abgerufen am: 21.01.2021 )

Infos zum Zitiervorschlag
Kommentare
  • 26.04.2018 21:01, Enes Scholkaldetten

    Der BGH wird die Verurteilung wegen Mordes in Mittäterschaft aufrecht erhalten und eine neue Rechtsform erfinden *Der Täter mit dem Täter im Bett*
    Zschäpe War doch nichts anderes als eine Matratze für Neonazis

    Enes Scholkaldetten
    • 27.04.2018 17:30, martin

      Soweit ich die Berichterstattung mitbekommen habe, teilen nicht alle Zeugen die Auffassung, dass sie lediglich die "Matratze" der beiden Uwes war. Welche Auffassung die Tatrichter haben, wird sich hoffentlich irgendwann zeigen ....

  • 28.04.2018 20:43, Affenarsch

    Schon im ersten oder zweiten Semester Jura lernt man, dass Mittäterschaft etwas anderes ist als die Handlungen, die der Angeklagten vorgeworfen werden.

    Affenarsch
  • 03.05.2018 22:16, Eric Baer

    Diese Person gehört für längere Zeit ins Gefägnis; daran gibt es keinen Zweifel.

    Eric Baer
Das könnte Sie auch interessieren:
  • Nach Urteil des OLG München - BGH prüft Revi­sionen im NSU-Pro­zess
  • Immunität für Armeeangehörige? - BGH will sich zur Ver­fol­gung aus­län­di­scher Kriegs­ver­b­re­chen äußern
  • Mit weniger Anklagepunkten als geplant - Haupt­ver­hand­lung in Bremer BAMF-Affäre beginnt bald
  • BGH bestätigt Urteil des LG Düsseldorf - Frei­spruch im Wehr­hahn-Ver­fahren rechts­kräftig
  • IS-Prozess am OLG Frankfurt/Main - Gesch­lechts­be­zo­gene Ver­fol­gung als Ver­b­re­chen gegen die Men­sch­lich­keit
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
  • Themen
    • Mittäterschaft
    • NSU
    • Straftaten
    • Terrorismus
  • Gerichte
    • Oberlandesgericht München
TopJOBS
Bu­si­ness La­wy­er (w/m/d) In­ter­na­tio­na­les Wirt­schafts­straf­recht

Hogan Lovells International LLP , Frank­furt/M. und 3 wei­te­re

Staats­an­walt (w/m/d) mit Re­fe­renz­num­mer 20-26

Bundeskartellamt , Bonn

Rechts­an­walt (w/m/d) In­ves­ti­ga­ti­ons & Whi­te Col­lar De­fen­se

Jones Day , Mün­chen

Rechts­an­walt (w/m/d) In­ves­ti­ga­ti­ons & Whi­te Col­lar De­fen­se

Jones Day , Frank­furt am Main

Pro­jects As­so­cia­te (w/m/d) In­ter­na­tio­na­les Wirt­schafts­straf­recht

Hogan Lovells International LLP , Ber­lin

Bu­si­ness La­wy­er (w/m/d) In­ter­na­tio­na­les Wirt­schafts­straf­recht

Hogan Lovells International LLP , Mün­chen

Rechts­an­walt (w/m/d) In­ves­ti­ga­ti­ons & Whi­te Col­lar De­fen­se

Jones Day , Düs­sel­dorf

Pro­jects As­so­cia­te (w/m/d) In­ter­na­tio­na­les Wirt­schafts­straf­recht

Hogan Lovells International LLP , Mün­chen

Bu­si­ness La­wy­er (w/m/d) In­ter­na­tio­na­les Wirt­schafts­straf­recht

Hogan Lovells International LLP , Ham­burg

Rechts­an­walt (m/w/d) Wirt­schafts­straf­recht & Com­p­li­an­ce

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , Mün­chen

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Strafrechtliche Brennpunkte im Unternehmen

21.01.2021, Frankfurt am Main

Webinar-Reihe WEG Teil 3: Erhaltung und bauliche Veränderung in der WEG

22.01.2021

Fachanwaltslehrgang Arbeitsrecht im Fernstudium/ online

21.01.2021

Info Webinar

28.01.2021

Mentoring Ausbildung für Juristen Info-Webinar (kostenfrei)

28.01.2021

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH