Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: Geset­zes­än­de­rung für Par­tei­tags­wahlen in der Coro­na­pan­demie?

02.11.2020

Corona durchkreuzt massiv die Zeitpläne der Parteien. Parteitage werden reihenweise abgesagt. Besonders betroffen ist die CDU mit ihrer Vorsitzwahl. Ob das auch elektronisch geht, hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages geprüft.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sieht keine unüberwindbaren Hindernisse für elektronische Wahlen von Parteivorsitzenden oder -vorständen auf Online-Parteitagen. Aus Gründen der Rechtssicherheit dürfte allerdings eine ausdrückliche gesetzliche Regelung in jedem Fall angezeigt sein, heißt es in einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Sie untersucht die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von elektronischen Abstimmungen auf Online-Parteitagen. 

Aktuell ist die Frage vor allem für die CDU von großer Bedeutung. Sie will Mitte Januar bei einem Parteitag über ihren Vorsitz entscheiden. In Betracht kommen nach einer Einigung der drei Kandidaten Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen vom Wochenende neben einem zentralen Präsenzparteitag auch ein dezentraler Präsenzparteitag oder ein Online-Parteitag mit elektronischer Abstimmung und schriftlicher Schlussabstimmung per Briefwahl. Bislang ist eine solche elektronische Abstimmung rechtlich noch nicht möglich. 

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hatte kürzlich beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags eine Prüfung in Auftrag gegeben, unter welchen Voraussetzungen Delegierte auch elektronisch über einen Vorsitzenden und den Parteivorstand abstimmen können. 

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus wies am Sonntag im ARD-"Bericht aus Berlin" darauf hin, dass der CDU-Bundesvorstand sich für Digitalformate ausgesprochen habe. Es sei gut, dass jetzt final geprüft werde, wie ein solches Verfahren möglich sei.

Grundgesetzänderung für elektronische Wahlen

In dem Gutachten vom 28. Oktober heißt es weiter, das Bundesverfassungsgericht habe den Einsatz elektronischer Verfahren bei Wahlen nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern in bestimmten Grenzen erlaubt. Bei der Verwendung elektronischer Wahlgeräte müssten wesentliche Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisübermittlung vom Wähler zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können. Der Gesetzgeber dürfe elektronische Wahlgeräte einsetzen, "wenn die Möglichkeit einer zuverlässigen Richtigkeitskontrolle gegeben sei". Denkbar sei, dass neben der elektronischen Speicherung ein Papierprotokoll ausgedruckt werde. 

In einer weiteren Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes vom 30. Oktober wird die rechtssichere E-Mail "De-Mail" als Lösungsweg für einen Wahlvorgang genannt. "Abstimmungen könnten dann über einfache PDF-Dokumente oder sogar im Text einer De-Mail realisiert werden", heißt es dort. Wenn der Gesetzgeber der Ansicht sei, dass die De-Mail den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genüge, stehe ihrem Einsatz nichts entgegen, da der Einsatz vom Spielraum des Gesetzgebers gedeckt sei. Andernfalls wird eine Änderung des Grundgesetzes empfohlen.

De-Mail ist ein de facto eigentlich gescheitertes IT-Großprojekt der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem De-Mail-Gesetz von 2011 hatte man versucht, eine "sichere, vertrauliche und nachweisbare" Kommunikation im Internet per E-Mail zu etablieren. Das Problem: De-Mail ist mit herkömmlicher E-Mail nicht kompatibel. 

ast/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: Gesetzesänderung für Parteitagswahlen in der Coronapandemie? . In: Legal Tribune Online, 02.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43292/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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