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Unzureichende Bundesmittel für die Justiz?: Ver­wal­tungs­ge­richts­prä­si­denten ermahnen Marco Busch­mann

von Hasso Suliak

24.09.2022

Der Richter im Amt, umgeben von Gesetzestexten, thematisiert unzureichende Bundesmittel für die Justiz.

Unter anderem der Präsident des BVerwG, Prof. Andreas Korbmacher, kritisiert eine mangelnde Unterstützung durch den Bund für die Justiz in den Ländern. picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Nach der Schelte der Bundesländer kritisieren nun auch Vertreter der Gerichte die vom Bundesjustizminister verfolgten Pläne beim Rechtstaats- und Digitalpakt heftig. Die Union wirft Buschmann "Unvermögen in der Amtsführung" vor.

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Bundesjustizminister Buschmann betonte am Freitag erneut, wie sehr ihm eine moderne, digital gut ausgestattete Justiz am Herzen liegt:  "Wir werden einen Pakt für den digitalen Rechtsstaat auflegen, um Projekte für eine moderne Justiz voranzutreiben", schrieb der FDP-Politiker auf Twitter. 

Indes: Über den Umfang, d.h. mit welchem Volumen der Bund bereit ist, den Ländern unter die Arme zu greifen, ist inzwischen ein gewaltiger Streit zwischen Landesjustizministerien und BMJ entstanden. In den Ländern wird die Ankündigung Buschmanns, den Justiz-Pakt im kommenden Jahr mit 50 Millionen Euro und in den Jahren danach mit insgesamt bis zu 200 Millionen Euro auszustatten, als völlig unzureichend angesehen.  "Der Vorschlag aus dem Bundesjustizministerium bildet nicht ansatzweise ab, vor welchen großen Herausforderungen die Justiz grundsätzlich und im Hinblick auf die Digitalisierung steht", kritisierte etwa Hamburgs grüne Justizsenatorin Anna Gallina. Immerhin gehe es um die "Kernaufgaben des Staates, die auch in schwierigen Zeiten nicht zur Disposition stehen dürfen".

VGH, OVG und BVerwG: "Koalitionsvertrag wird nicht eingehalten"

In das gleiche Horn stießen nun am Freitag auch die Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichtshöfe und Oberverwaltungsgerichte der Länder und des Bundesverwaltungsgerichts. Auf ihrer 61. Jahrestagung in Bremen fassten sie einen Beschluss, der Buschmann zu denken geben soll: Das Angebot des Bundesministers der Justiz, den Ländern über mehrere Jahre verteilt insgesamt bis zu 200 Millionen Euro für einzelne Digitalisierungsprojekte zur Verfügung zu stellen, sei nicht ausreichend, "um die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der Justiz zu sichern". Zudem bleibe es "weit hinter der Ankündigung im Koalitionsvertrag zurück".

Aus Sicht der Gerichtspräsident:innen treffen die Pläne Buschmanns vor allem die Verwaltungsjustiz hart: "Die Beschleunigung von Vorhaben, die der Energie- und Verkehrswende und dem Klimaschutz dienen, und die wieder ansteigenden Migrationsbewegungen sind gesellschaftliche Herausforderungen, bei deren Bewältigung der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine wichtige Rolle zukommt. Hierfür bedarf es einer bedarfsgerechten Personalausstattung und einer Technik, die sich stets auf dem neusten Stand befindet", heißt es in dem Beschluss. Die Präsident:innen mahnten,  dass sich der vom Bundesjustizminister angekündigte Pakt "sich nicht auf einzelne IT-Projekte beschränken darf, sondern eine auskömmliche Finanzierung der Justiz dauerhaft und verlässlich sicherstellen muss. Er muss sich insbesondere auch auf die Personalkosten erstrecken".

Verwirrung um Begriffe

Unterdessen gibt es bei dem Konflikt zunehmend auch Irritationen darüber, wie Buschmanns "Justiz-Hilfe-Programm" nun überhaupt bezeichnet werden soll.  Pakt für den Rechtsstaat oder/und Digitalpakt? Im Koalitionsvertrag der Ampel werden beide Vorhaben kumulativ verwendet, der Pakt für den Rechtsstaat soll um einen Digitalpakt "erweitert" werden. Der Bundesjustizminister bezeichnet sein Vorhaben inzwischen nur noch als "digitalen Rechtsstaatspakt". Soll es also nur noch Unterstützung seitens des Bundes bei Digitalisierungsprojekten geben?

Dass es jedenfalls zu keinem echten "Pakt für den Rechtsstaat" mehr kommen wird, davon ist die Union überzeugt: Der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Rechtsausschuss, Carsten Müller, erklärte am Freitag, dass aus den gegenwärtig laufenden Gesprächen zum Bundeshauhalt 2023 sei bekannt geworden, "dass die Bundesregierung den `'Pakt für den Rechtsstaat' entgegen anders lautender Beteuerungen beendet". Die Bundesregierung und zuvorderst das FDP-geführte Bundesjustizministerium opferten in den Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2023 damit "tatsächlich Grundwerte unseres Rechtsstaates und beerdigen damit insofern den gemeinsamen Koalitionsvertrag", so Müller. Die Vereinbarungen darin seien "nach weniger als einem Jahr FDP-geführten Bundesjustizministerium die Tinte nicht wert". Müller warf Buschmann vor, an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit den Bundesländern nicht interessiert zu sein. "Für die rechtschaffenden Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sowie für unsere Justiz und den Rechtsstaat ist dieses Unvermögen einer Amtsführung durch den Bundesminister verheerend", so Müller.

FDP-Rechtspolitikerin: "200 Millionen sind eine beachtliche Summe"

Rückendeckung bekam Buschmann unterdessen von seiner Parteifreundin aus dem Rechtsausschuss, der rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr. Die Kritik aus der Union sei nicht mehr als "Säbelrasseln", erklärte sie gegenüber LTO: "Ich finde, der Versuch von Kollegen Müller ist genauso durchsichtig wie unehrlich. Ich erlebe, wenn es um die Digitalisierung der Justiz angeht, gerade immer wieder die Union als Bremse. Ist es gerade in der jetzigen Situation nicht zu einfach, nach 'mehr Geld' zu rufen, ohne zu erklären, woher das Geld denn kommen soll?"

Helling-Plahr zufolge ist mit Blick auf die aktuelle Krisenlage die Bereitstellung von bis zu 200 Millionen Euro für den Pakt eine "beachtliche Summe, um mit der Förderung konkreter Vorhaben den Digitalisierungsprozess gezielt voranzubringen". Das Volumen entspreche "in der Größenordnung ja sogar dem vorangegangenen Pakt für den Rechtsstaat." 

"Ja sogar"? Dass die finanzielle Hilfe des Bundes wegen der gewaltigen Herausforderungen insbesondere in puncto Digitalisierung aber gerade über das bisherige Niveau hinausgehen muss, fordern von der Bundesregierung inzwischen alle 16 Bundesländer. NRW-Justizminister Benjamin Limbach erinnerte den ebenfalls anwesenden Marco Buschmann daran am Donnerstag auf dem Juristentag in Bonn: "Ergänzen Sie doch bitte den Digitalpakt außerdem noch um einen Pakt für den Rechtsstaat".

 

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Unzureichende Bundesmittel für die Justiz?: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49729 (abgerufen am: 17.11.2025 )

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