Einem Reichsbürger wird die Fahrerlaubnis entzogen. Grund: Die Behörde zweifelt an seiner geistigen Gesundheit. Das tut das OVG Thüringen ebenfalls, wie ein nun veröffentlichter Beschluss zeigt.
Wenn Behörden die sog. Reichsbürger behelligen, wird es oft kompliziert. Wegen der "fehlenden" Legitimation der Behörden kommen sie Aufforderungen und Verfügungen meistens nicht nach. Sie glauben, dass die BRD eine privatrechtlich organisierte GmbH sei, Behörden hätten deshalb kein Recht, irgendetwas von ihnen zu verlangen. Viele von ihnen erkennen die geltenden Gesetze nicht an, schließlich sei nicht die BRD, sondern das Deutsche Reich der legitime deutsche Staat.
So sieht das auch ein Mann aus Erfurt. Er hatte sein Auto nicht ordnungsgemäß zugelassen und das Euro-Feld seines Nummernschildes mit Reichsflaggen überklebt. Der Aufforderung, die Flaggen zu entfernen und eine gültige Hauptuntersuchung vorzuweisen, kam er nicht nach. Er erkenne die deutschen Rechtsvorschriften und die Legitimität der staatlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland nicht an, erklärte er zur Begründung.
In der Folge untersagte die Behörde ihm den weiteren Betrieb seines KFZ. Die Bescheide schickte der Mann ihr allerdings zurück nebst einem handschriftlichen Vermerk. Unter der Überschrift "Zustellungsverbot/fehlende Vertragsgrundlage" enthielt dieser u.a. Ausführungen darüber, dass der Empfänger als juristische Person nicht existiere, eine vertragliche Grundlage fehle und Angebote nicht entgegengenommen würden.
Behörde fordert psychiatrisches Gutachten
Auf weitere Verwarnungen und Bußgeldbescheide reagierte der Mann entweder gar nicht oder er wiederholte seine oben genannten Ausführungen. Später stellte er in einem u.a. an die "Generalstaatsanwaltschaft der russischen Förderation - Haupt Militär Staatsanwalt" adressierten Schreiben Strafanzeige gegen mehrere Mitarbeiter der Stadt.
Nun hatte die Fahrerlaubnisbehörde genug. Sie forderte den Mann auf, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vorzulegen. Aus seinen Schreiben sei eine völlig gestörte Wahrnehmung der Realität erkennbar. Die völlig diffuse Wahrnehmung des bestehenden Rechtssystems, die persönlichen Angriffe gegen Mitarbeiter der Behörde und die Androhung von Anzeigen offenbarten massive Zweifel an der Kraftfahreignung im Sinne einer möglichen Psychose, befand die Behörde. Ferner sei zu befürchten, dass sich die mangelnde Grundeinstellung zu den Rechtsvorschriften der BRD auch auf die Fahrerlaubnis erstrecken könnte.
VG stellt aufschiebende Wirkung wieder her
Aber auch das angeforderte Gutachten über seinen psychischen Zustand legte der Mann nicht vor. Die Behörde entzog ihm daraufhin die Fahrerlaubnis, forderte ihn zur Abgabe seines Führerscheins auf, ordnete die sofortige Vollziehung an und drohte ihm bei Nichtbefolgung ein Zwangsgeld an. Dagegen erhob der Mann Widerspruch, über den bisher nicht entschieden wurde.
Im Eilverfahren stellte das Verwaltungsgericht (VG) Weimar die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches wieder her. Die Behörde habe die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens nicht darauf stützen dürfen, dass der Antragsteller aufgrund einer völlig gestörten Wahrnehmung der Realitätmöglicherweise an einer Psychose leide, die ihn ungeeignet zum Fahren von Kraftfahrzeugen mache, so die Verwaltungsrichter.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Thüringen hat den Beschluss des VG nun aber wieder geändert und den Antrag des Reichsbürgers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches abgelehnt (Beschl. v. 02.02.2017, Az. 2 EO 887/16). Die Erklärungen und Verhaltensweisen des Mannes sprächen für eine psychische Störung.
2/2: OVG: Nicht einmal erkennbar, was er sagen will
Zwar stimmte der Senat mit der Kammer des VG darin überein, dass völlig abwegig erscheinende Erklärungen rechtlicher oder tatsächlicher Art ebenso wie Verhaltensweisen des Fahrerlaubnisinhabers außerhalb des Straßenverkehrs für sich allein gesehen grundsätzlich keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Gesundheitsstörung begründeten, welche die Fahreignung beeinträchtigt. Die Bedenken zur Fahreignung ergäben sich hier aber aus den Erklärungen und Verhaltensweisen des Mannes gegenüber den Behörden, entschied das OVG.
So lasse ein als "Obligation" bezeichnetes Schreiben des Mannes, in dem er zu einem Behördenschreiben Stellung nimmt, nicht einmal eine Gedankenfolge zu einer –wenn auch abwegigen – Meinungsäußerung erkennen. Die Ausführungen seien eine bloße Aneinanderreihung von Aussagen, die einen logischen inneren Zusammenhang nicht mehr ansatzweise erkennen ließen. Das Schreiben enthielt konfuse Darstellungen zur Grundrechtsberechtigung nach Art. 19. Abs. 3 Grundgesetz (GG), zur "Personifikation nach § 112 BVersVG" sowie die Feststellung einer Gefährdungshandlung, die Tatbestände des Völkerstrafgesetzbuchs erfülle.
Die Gedankengänge des Mannes seien weder einer Feststellung noch einer Mutmaßung zugänglich, was er eigentlich zum Ausdruck bringen will. Zudem enthielten die Ausführungen gravierende sprachliche Unstimmigkeiten, die sich dem an sprachlicher Logik ausgerichteten Grundverständnis eines Durchschnittsbürgers entziehen, entschied der Senat, der dabei aus den Schreiben zitiert.
Psychische Störung wahrscheinlich
"... Es ist zu Recht verboten die Menschen als Objekt, also als PERSON zu behandeln..."; [...] "... Jeder Mensch wenn er treuhänderisch tätig ist für eine juristische Person etc., welcher mit Personen zwischen Art.20-146 GG freiwillig in dieser Sache einen Vertrag eingeht, ist nicht grundrechtfähig." [...] "Sie und die genannten Tätigen sind als jP. Personen eine unerlaubte Geschäftsanmaßung und unter einem außervertraglichen Schuldverhältnis nach Art. 6, 38-42 EGBGB privat tätig...".
Bei einer Gesamtbetrachtung dieses abstrusen Staats- und Rechtsverständnisses, seiner nicht nachvollziehbaren Gedankensprünge und der Vielzahl sprachlicher Unstimmigkeiten könnten kognitive Defizite nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, so der Beschluss. Die Richter sehen Anhaltspunkte für eine psychische Störung.
Im - daher hier überwiegenden - öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs erhielt das OVG die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids aufrecht. Im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung sprächen überwiegende Gründe dafür, dass sich die Entziehung der Fahrerlaubnis des Mannes im Widerspruchsverfahren oder in einem etwaigen späteren verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen werde.
acr/LTO-Redaktion
OVG Thüringen zu Reichsbürger: Höchstwahrscheinlich psychisch gestört . In: Legal Tribune Online, 14.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22370/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag