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OVG Rheinland-Pfalz zur Badeordnung in Koblenz: Bur­kini-Verbot ist gleich­heits­widrig

14.06.2019

Frau mit Burkini am Pool (Symbolbild)

(c) Kzenon - stock.adobe.com

Weil "anstoßerregende Krankheiten" unter einem Burkini nicht zu sehen seien, hat die Stadt Koblenz sie in ihrer Badeordnung verboten. An Neoprenanzügen für Sportschwimmer störte sich dagegen niemand. So geht's nicht, entschied das OVG.

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Die am 1. Januar 2019 in Kraft getretene Regelung der Haus- und Badeordnung für die Bäder der Stadt Koblenz über die zulässige Badekleidung, die ein grundsätzliches Verbot des Tragens von Burkinis enthält, verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilverfahren (Beschl. v. 12.07.2019, Az. 10 B 10515/19.OVG).

Nach der Badeordnung ist der Aufenthalt im Nassbereich nur in Badehose, Badeanzug, Bikini oder Badeshorts gestattet. Neoprenanzüge sind für Leistungsschwimmer und Triathleten im Rahmen des Schwimmtrainings zugelassen. Im Rahmen des Schulschwimmens wird das Tragen eines Burkinis erlaubt.

Eine syrische Asylbewerberin und gläubige Muslimin stellte dagegen einen Normenkontrollantrag. Ihre Ärzte hatten ihr wegen einer Rückenkrankheit den Besuch eines Schwimmbads empfohlen. Aufgrund ihres Glaubens könne sie aber nur in einem Burkini schwimmen gehen, der bis auf das Gesicht, die Hände und Füße den gesamten Körper bedeckt. Sie sah sich durch die Regelungen in ihren Grundrechten verletzt. 

Keine Rechtfertigung für Regelungskonzept

Das OVG gab ihrem damit verbunden Eilantrag statt und setzte die Regelung der Badeordnung im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Kraft. Zugleich regte das Gericht bei der Stadt Koblenz an, das angegriffene Burkini-Verbot aufzuheben. Der Stadtrat hatte das Burkini-Verbot laut Gericht letztlich damit begründet, dass bei vollständiger Bekleidung der Badegäste die Kontrolle, ob diese unter anstoßerregenden Krankheiten, meldepflichtigen Krankheiten im Sinne des Bundesseuchengesetzes, offenen Wunden oder Hautausschlägen litten, unmöglich sei.

Die Regelung verstoße aber gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, befand das OVG. Sie diene zwar dem Schutz der Badegäste vor Gesundheitsgefahren, weil besagte Krankheiten und Verletzungen an unbedeckten Körperstellen nicht versteckt werden könnten. Sie belaste die Trägerinnen von Burkinis aber ohne zureichende sachliche Gründe stärker als vergleichbare andere Gruppen von Badegästen, welche die städtischen Schwimmbäder mit Badebekleidung nutzen dürften, die den Körper ebenfalls weitgehend bedecke.

Dabei kann laut Gericht offenbleiben, ob plausible Gründe dafür bestünden, die Trägerinnen von Burkinis anders zu behandeln als die Trägerinnen von Badeanzügen, die – je nach Schnitt - wesentlich größere Teile des Körpers bedeckten als Bikinis. Jedenfalls sei eine ausreichende sachliche Rechtfertigung dafür, dass die angegriffene Vorschrift Neoprenanzüge für Leistungsschwimmer und Triathleten im Rahmen des Schwimmtrainings zulasse, im Hinblick auf das den Gesundheitsschutz der Badegäste verfolgende Regelungskonzept der Stadt nicht erkennbar. 

Zur Ausnahme im Schwimmunterricht: Kontrolle durch Lehrer "lebensfremd"

Auch Neoprenanzüge bedeckten den ganzen Körper, gab das Gericht zu bedenken. Werde dann noch eine Kopfhaube getragen, ließen sie zur Kontrolle durch das Badepersonal nicht mehr Körperteile frei als Burkinis.

Dass Neoprenanzüge nur während des Schwimmtrainings zugelassen sind, ändert an der Auffassung des Gerichts nichts. So dürfte zwar nach Auffassung der Richter die Zahl der Badegäste, die in einem Neoprenanzug schwimmen, und folglich auch die von ihnen ausgehenden potentiellen Gesundheitsgefahren eher gering sein. Dies gelte aber in gleicher Weise für die Trägerinnen von Burkinis, weil nach den Angaben der Stadt Koblenz die städtischen Schwimmbäder zur Zeit von nur fünf Burkini-Trägerinnen besucht würden. 

Im Übrigen bleibe auch unklar, warum der Schutz vor Gesundheitsgefahren nachrangig sei, wenn der Burkini im Rahmen des Schulschwimmens getragen werde. Eine wirksame Kontrolle durch das Lehrpersonal erscheine "lebensfremd", entschied das OVG.

acr/LTO-Redaktion

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OVG Rheinland-Pfalz zur Badeordnung in Koblenz: Burkini-Verbot ist gleichheitswidrig . In: Legal Tribune Online, 14.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35931/ (abgerufen am: 03.02.2023 )

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