Der Schulleiter eines Gymnasiums musste einen Schüler vom Besuch des Kinofilms "Krabat", den die 7. Klasse im Rahmen des Deutschunterrichts als verbindliche Schulveranstaltung durchführte, aus religiösen Gründen befreien. Dies entschied der 19. Senat des OVG NRW am Donnerstag.
Die Eltern eines 12-jährigen, die den Zeugen Jehovas angehören, beantragten die Befreiung ihres Sohnes, weil ihre Religion ihnen alle Berührungspunkte mit Spiritismus und schwarzer Magie verbiete. Die Klasse hatte vor dem Kinobesuch im Unterricht das Buch "Krabat“ von Otfried Preußler besprochen.
Der Schulleiter lehnte den Antrag der Eltern ab. Er wollte einen "Präzedenzfall" vermeiden. Das Verwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung unter Hinweis auf den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster erklärte die Entscheidung des Schulleiters nun für rechtswidrig.
Die Eltern hätten nachvollziehbar und überzeugend ihre ernsthafte Glaubensüberzeugung dargestellt, nach der sie das im Buch beschriebene und im Film zur Anschauung gebrachte Praktizieren schwarzer Magie ablehnen. Der vom Grundgesetz gebotene schonende Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen sei unter Aufrechterhaltung der Teilnahmepflicht des Sohnes nicht möglich gewesen.
Insbesondere sei es dem Sohn nicht zumutbar gewesen, bei denjenigen Filmszenen, die seinen Glaubensüberzeugungen und denen seiner Eltern widersprechen, entweder die Augen zu verschließen und sich die Ohren zuzuhalten oder den Kinosaal für die Dauer dieser Szenen zu verlassen. Da der Schüler an der Besprechung des Buches im Unterricht sowohl vor als auch nach dem Kinobesuch teilgenommen habe, müsse der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag im vorliegenden Einzelfall ausnahmsweise zurücktreten (Beschl. v. 21.12.2011, Az. 19 A 610/10).
mbr/LTO-Redaktion
Mehr auf LTO.de:
BVerwG: Kein Sonderurlaub für Veranstaltung der Zeugen Jehovas
OVG NRW zur Glaubensfreiheit: . In: Legal Tribune Online, 23.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5166 (abgerufen am: 08.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag