OVG zum Betretungs- und Aufenthaltsverbot: Lüt­ze­rath darf geräumt werden

10.01.2023

Das Eilverfahren gegen die Räumung des von Aktivistinnen und Aktivisten besetzten Lützerath ist erfolglos geblieben. Das OVG-NRW entschied, dass das Aufenthalts- und Betretungsverbot voraussichtlich rechtmäßig ist.

Die Allgemeinverfügung des Landrates zur Räumung der Ortschaft Lützerath hat Bestand. Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen am Montagabend (Beschl. v. 9.01.23, Az.: 5 B 14/23). Damit ist der Versuch von Klimaaktivisten, das vom Kreis Heinsberg ausgesprochene Aufenthaltsverbot in Lützerath mit einem Eilverfahren zu Fall zu bringen, gescheitert. Der unberechtigte Aufenthalt von Personen auf den betroffenen Flächen sei ohne Einwilligung der berechtigten RWE Power AG zivilrechtlich rechtswidrig und stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, so das OVG.

Das Örtchen Lützerath ist Zentrum eines Klimaprotestes. Der Weiler soll für die darunter liegende Braunkohle geräumt werden. Klimaaktivisten wollen das verhindern.  Die für die Räumung zuständige Polizei in Aachen plant den Einsatz für die Dauer von insgesamt vier Wochen. "Die Kräfte kommen aus dem ganzen Bundesgebiet", sagte Einsatzleiter Wilhelm Sauer am Montag in Aachen. Wie viele Polizeibeamten beteiligt sein werden, sagte er nicht.

Mit einer Räumung des direkt am Braunkohletagebau Garzweiler gelegenen Weilers sei ab Mittwoch oder an den Folgetagen zu rechnen, sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach. "Da wir morgen noch eine Informationsveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger in Erkelenz durchführen werden, müssen sie ab übermorgen oder den darauffolgenden Tagen mit dem Beginn der Räumung rechnen", sagte er.

Einsatzleitung ist auf Aktivisten eingestellt

In den verlassenen Gebäuden von Lützerath leben seit Monaten Aktivisten, die verhindern wollen, dass der Ort für den Tagebau geräumt und abgebaggert wird. In Lützerath gebe es 7 verbarrikadierte Häuser und 27 Baumhäuser, sagte Weinspach. Nach Einschätzung der Polizei halten sich dort derzeit etwa 300 Menschen auf, es finde noch Anreiseverkehr statt. In einem Camp im benachbarten Dorf Keyenberg sind laut Polizei etwa 250 weitere Personen.

Der Energiekonzern RWE will das rheinische Lützerath im Westen von Nordrhein-Westfalen abreißen, um die darunter gelegene Kohle abzubauen. Boden und Häuser des von Ackerbau geprägten Ortes gehören RWE. In den verbliebenen Räumlichkeiten, deren einstige Bewohner weggezogen sind, wohnen nun allerdings Aktivisten, die Widerstand angekündigt haben. Sie sehen für das Abbaggern und Verbrennen der Kohle keine Notwendigkeit.

Einsatzleiter Sauer sprach am Montag von einem umfangreichen Einsatzraum mit vielen Unbekannten. "Wir wissen nicht, was uns darin erwartet", sagte er über die Häuser und großen Scheunen. Man wisse auch nicht, ob Fallen aufgebaut wurden oder ob Dächer erklettert würden. Sperrungen und Blockaden seien reichlich vorhanden. Zu den möglichen Szenarien gehöre auch die Besetzung von 96 Meter hohen Großbaggern im Tagebau. Die Einsatzleitung sei darauf eingestellt.

Kein legitimes Ziel rechtfertige Gewalt

Nach mehreren Angriffen auf Polizisten im Kohletagebau bei Lützerath durch Steinwürfe forderte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die friedlichen Klimaaktivisten auf, sich von den Gewalttätern zu distanzieren und abzusetzen. Der Minister schloss nicht aus, dass auch die Unterspülung der Tagebaukante mit Wasser mutwillig verursacht worden sein könnte. "Da hat irgendjemand eingegriffen und die Wasserleitungen verändert", sagte Reul.

"Kein noch so legitimes Ziel rechtfertigt Gewalt gegen Menschen", sagte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne). "Wenn ich höre, dass Steine auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte geworfen werden, macht mich das betroffen. Die Polizei verdient unsere Unterstützung bei ihrer Arbeit, sie verteidigt unseren demokratischen Rechtsstaat."

Räumungsmaßnahmen ab 10.Januar möglich

Hintergrund des OVG-Beschlusses ist eine Allgemeinverfügung des Kreises Heinsberg zur Räumung des Dorfes. Die Verfügung untersagt Personen den Aufenthalt vom 23. Dezember 2022 bis zum 13. Februar 2023. Werde diesem Platzverweis keine Folge geleistet, so biete die Verfügung die Grundlage "zur Ergreifung von Räumungsmaßnahmen ab dem 10. Januar", hieß es - also theoretisch auch schon ab Dienstag. Damit ist nach Aussage des Polizeipräsidenten aber noch nicht sofort zu rechnen.

Das OVG bestätigte in seiner Eilentscheidung die Auffassung des Verwaltungsgerichts Aachen, dass in erster Instanz die Allgemeinverfügung als "voraussichtlich rechtmäßig" eingestuft hatte. Das Betreten von Lützerath könne nicht unter Berufung auf zivilen Ungehorsam infolge eines Klimanotstands gerechtfertigt werden. Rechtsgrundlage sei das Polizei- und Ordnungsrecht.

Dieser Sicht schloss sich das OVG an. "Das staatliche Gewaltmonopol als Grundpfeiler moderner Staatlichkeit ist einer Relativierung durch jegliche Formen des zivilen Ungehorsams grundsätzlich nicht zugänglich", entschied das OVG laut Mitteilung.

Der Beschluss des OVG ist nicht anfechtbar.

dpa/ku/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OVG zum Betretungs- und Aufenthaltsverbot: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50700 (abgerufen am: 14.10.2024 )

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