OVG zum Zugang zu Medikamenten: Kein Anspruch gegen den Staat auf Betäu­bungs­mittel für die Selbst­tö­tung

02.02.2022

Schwerkranke Patienten mit Sterbewunsch haben nach einem Obergerichtsurteil kein Anrecht auf Zugang zu einem todbringenden Medikament. Das hat das OVG NRW entschieden und damit eine Entscheidung des VG Köln bestätigt.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn ist nicht verpflichtet, schwerkranken Menschen, die den Entschluss zum Suizid gefasst haben, hierfür den Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zu erlauben (Urt. v. 02.02.2021, Az. Aktenzeichen: 9 A 146/21 u.w.). Das hat das Oberverwaltungsgericht NRW (OVG) am Mittwoch in drei Verfahren entschieden und damit entsprechende Urteile des Verwaltungsgerichts (VG) Köln bestätigt.

Geklagt hatten zwei Männer aus Rheinland-Pfalz bzw. Niedersachsen und eine Frau aus Baden-Württemberg, die jeweils an verschiedenen schwerwiegenden Erkrankungen leiden, zum Beispiel Multiple Sklerose und Krebs. Sie verlangen vom BfArM, ihnen jeweils eine Erlaubnis zum Erwerb von 15 Gramm Natrium-Pentobarbitalzu erteilen, um mithilfe dieses Betäubungsmittels ihr Leben zu beenden. Schon das VG hatte ihre Klagen abgewiesen.

Gesetzlicher Versagungsgrund

Der Erteilung der begehrten Erlaubnis stehe der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) entgegen, so das OVG. Nach der Norm ist die Erlaubnis zu versagen, wenn das begehrte Mittel missbraucht oder zu anderen Zwecken als denen des BtMG (notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sichern) genutzt werden soll.

Das Mittel erwerben zu wollen, um sich selbst zu töten, diene gerade nicht dazu, die notwendige medizinische Versorgung sicherzustellen, so das OVG. Das sei bei Anwendungen eines Betäubungsmittels nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur der Fall, wenn diese eine therapeutische Zielrichtung haben. Das bedeute, dass das Medikament dazu dienen müsse, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern.

In der Versagung liegt nach Auffassung des OVG zwar ein mittelbarer Eingriff in das Recht auf selbstbestimmtes Sterben vor. Dieser sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt: Die Ausgabe des Medikaments zu versagen, schütze das öffentliche Interesse der Suizidprävention und sei Ausdruck der staatlichen Schutzpflicht für das Leben. Ob ein Zugang zu Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ermöglicht werden soll, müsse der Gesetzgeber entscheiden.

Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben kein Leistungsrecht

Das Gesetz führe außerdem nicht dazu, dass Suizidwillige generell nicht ihr Recht auf Selbsttötung wahrnehmen können, führten die Münsteraner Richterinnen und Richter weiter aus. Nach aktueller Rechtslage sei freiwillig bereitgestellte Suizidhilfe zugänglich, es gebe zudem genug Alternativen. Soweit Medizinerinnen und Mediziner bzw. Sterbehilfeorganisationen in Deutschland kein Natrium-Pentobarbital als Mittel zur Selbsttötung einsetzen, stünden andere verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Verfügung. Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben beinhalte aber keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat, weshalb das BfArM nicht verpflichtet werden könne.

Dass unheilbar Kranke Anspruch auf Zugang zu todbringenden Medikamenten durch das BfArM haben könnnen, hat bereits 2017 das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. Allerdings hat es diesen Anspruch nur für Extremfälle in Aussicht gestellt und unter besonders strengen Voraussetzungen zugesprochen. Von den Anträgen, die seit dieser Entscheidung aus Leipzig beim BfArM eingegangen sind, ist - soweit ersichtlich - noch kein einziger durchgegangen.

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

cp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OVG zum Zugang zu Medikamenten: . In: Legal Tribune Online, 02.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47405 (abgerufen am: 01.11.2024 )

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