Seit über fünf Jahren musste der Muezzin in Oer-Erkenschwick schweigen, damit ist es nun vorbei. Die obersten NRW-Verwaltungsrichter erteilten klagenden Anwohnern eine Absage.
Die Türkisch Islamische Gemeinde (Ditib) darf in Oer-Erkenschwick wieder über einen Lautsprecher zum Gebet rufen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen wies am Mittwoch nach einem jahrelangen Streit eine Klage gegen den von der Stadt im nördlichen Ruhrgebiet genehmigten Muezzinruf ab (Urt. v. 23.09.2020 Az. 8 A 1161/18).
Anwohner hatten 2015 gegen die Ausnahmegenehmigung geklagt. Diese hatte der Gemeinde erlaubt, immer freitags zwischen 12.00 und 14.00 Uhr für höchstens 15 Minuten per Lautsprecher die Gläubigen zum Gebet zu rufen. Seit fünf Jahren unterblieb nach der Klage dieser Ruf. Die Anwohner, ein Ehepaar mit einem etwa 900 Meter entfernten Grundstück, sahen sich durch den Ruf in ihrer negativen Religionsfreiheit verletzt.
Diese Ansicht teilte der 8. Senat des OVG nicht. "Jede Gesellschaft muss akzeptieren, dass man mitbekommt, das andere ihren Glauben ausleben", sagte die Vorsitzender Richterin Annette Kleinschnittger in der mündlichen Verhandlung. So lange niemand zur Religionsausübung gezwungen werde, sei alles in Ordnung. Eine erhebliche Belästigung durch den Ruf sieht das OVG beim Kläger nicht. Ein Gutachter hatte bei einem Grenzwert von 55 Dezibel in direkter Nachbarschaft der Moschee 28 Dezibel auf dem Grundstück der Kläger errechnet.
Nach Auffassung des Gerichts hatte die Stadt bei der Erteilung der Ausnahmegenehmigung zwar durchaus Fehler bei der Berechnung des Grenzwerts gemacht. "Wir kommen aber nicht dazu, dass der Bescheid nicht rechtmäßig ist", sagte Kleinschnittger in der Urteilsbegründung. Allerdings seien die Genehmigung und die spätere Einhaltung der Grenzwerte zwei paar Schuhe, betonte das OVG in Münster. Die Vorsitzende Richterin forderte die Ditib in der mündlichen Verhandlung auf, in Zukunft sicherzustellen, dass der Grenzwert eingehalten werde. "Vielleicht auch mit technischen Hilfsmitteln", so Kleinschnittger. Die Ditib-Vertreter sagten das zu.
Vorsitzende Richterin: Keine Grundsatzentscheidung
Die Religionsfreiheit habe bei der Bewertung auch eine Rolle gespielt. Der Senat habe den Eindruck gewonnen, dass es nicht um den objektiven Klang des Muezzinrufes ging, "sondern um die Assoziationen, die Sie beim Hören haben", sagte Kleinschnittger in Richtung des klagenden Anwohners.
Der Ruf würde aber niemanden unausweichlich dazu zwingen, an der Veranstaltung in der Moschee teilzunehmen. "Wer von uns Antworten auf die Fragen erwartet hat, ob ein Muezzin in Deutschland rufen darf und in welcher Lautstärke, den muss ich enttäuschen", sagte Kleinschnittger. Der Klärung dieser Fragen habe es nicht bedurft, weil es um einen konkreten Einzelfall gegangen sei.
Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hatte die Genehmigung zuvor aufgehoben, weil die Stadt ihr Ermessen unzureichend ausgeübt habe. Zumal es an einer erheblichen Belästigung des Ehepaares fehle, kommt es aber nach Ansicht des OVG nicht darauf an, ob die Ermessensentscheidung der beklagten Stadt den Anforderungen gerecht geworden sei, die an eine solche Entscheidung zu stellen seien.
Das OVG ließ die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nicht zu. Dagegen ist nur noch die Nichtzulassungsbeschwerde möglich.
dpa/vbr/LTO-Redaktion
OVG NRW erlaubt Muezzinruf in Oer-Erkenschwick: . In: Legal Tribune Online, 23.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42889 (abgerufen am: 10.10.2024 )
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