Druckversion
Dienstag, 17.06.2025, 02:55 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/ovg-nordrhein-westfalen-16a906-11-langzeit-ueberwachung-rechtswidrig-anwalt-verfassungsschutz
Fenster schließen
Artikel drucken
27529

Verfassungsschutz beobachtete Juristen über 30 Jahre: Lang­zeit­über­wa­chung von Anwalt rechts­widrig

14.03.2018

Überwachung

© kebox - stock.adobe.com

Ein Rechtsanwalt und Publizist wurde über Jahrzehnte hinweg vom Verfassungsschutz beobachtet, weil er demokratiefeindliche Ziele unterstützt haben soll. Nun hat auch die zweite Instanz geurteilt: Das war rechtswidrig.

Anzeige

Es ist ein Fall wie aus einem Spionagethriller: Bereits als Jurastudent, später dann als Anwalt, Publizist, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte sowie stellvertretender
Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen wurde ein deutscher Staatsbürger vom Verfassungsschutz beobachtet - über drei Jahrzehnte lang. Am Mittwoch hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster entschieden, dass diese Langzeitüberwachung rechtswidrig war (Urt. v. 13.03.2018, Az. 16 A 906/11).

Die Überwachung des Mannes endete erst im Jahr 2008, als das erstinstanzliche Urteil in der Sache erging und die Überwachung als rechtswidrig einstufte. Der Betroffene selbst sprach in einer Stellungnahme von der wohl "längste(n) Dauerbeobachtung einer unabhängigen, parteilosen Einzelperson" durch den Verfassungsschutz überhaupt. 

Nach Ansicht des Inlandsnachrichtendienstes war der Mann ein Verfassungsfeind: Anfang der 1970-er Jahre, als die Überwachung begann, engagierte er sich für den Sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB, später: Sozialistischer Hochschulbund), von 1986 bis 1999 gehörte er der Redaktion der geheimdienst- und polizeikritischen Zeitschrift Geheim an. Zudem, warf man ihm vor, unterstütze er die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und weitere DKP-nahe Organisationen. Das hätten sein journalistisches Eintreten für deren Ziele und seine Tätigkeit als Referent auf entsprechenden Veranstaltungen ergeben.

OVG: Kein Hinweis auf verfassungsfeindliche Bestrebungen

Diese Beweisgrundlage war dem OVG, wie auch bereits in erster Instanz dem Verwaltungsgericht (VG) Köln (Az. 20 K 2331/08), zu dünn. Es bestätigte dessen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Die zur Zeit der Überwachung ermittelten Tatsachen hätten diese nicht rechtfertigen können, erklärte der 16. Senat.

Betreffend seine Unterstützung und Mitarbeit beim SHB und in der Redaktion der Geheim fehle es schon an nachweislich verfassungsfeindlichen Betrebungen der jeweiligen Organisationen, so das Gericht. Die ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtete DKP wird indes zwar dem linksextremen Spektrum zugeordnet. Allerdings konnten die Verwaltungsrichter anhand der vorgelegten Beweise nicht erkennen, dass der Überwachte deren Ziele wirklich unterstützt habe.

Angesichts der "schweren Grundrechtseingriffe", so das OVG, sei die Überwachung darüber hinaus auch unverhältnismäßig gewesen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ man aber die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu. Die Auseinandersetzung dürfte damit also noch nicht beendet sein.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Verfassungsschutz beobachtete Juristen über 30 Jahre: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27529 (abgerufen am: 17.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Öffentliches Recht
    • Staatsrecht und Staatsorganisationsrecht
    • Geheimdienste
    • Grundrechte
    • Rechtsanwälte
    • Rechtsstaat
    • Überwachung
  • Gerichte
    • Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Andrej Umansky 13.06.2025
Most Wanted

Köpfe:

LTO Most Wanted mit Andrej Umansky

Der Rechtsanwalt Andrej Umansky wünscht Jurastudierenden mehr Praxisbezug, erzählt vom Mandat seines Lebens und verrät das aktuelle Bier seiner Wahl.

Artikel lesen
Donald Tusk 11.06.2025
Polen

Wegweisend für die polnische Justiz:

Tusk gewinnt Ver­trau­ens­frage nach Prä­si­dent­schafts­wahl

Polens proeuropäischer Regierungschef erwartet viel Widerstand vom neuen Präsidenten Nawrocki. Deshalb testete er die Loyalität seiner Koalitionspartner per Vertrauensfrage – mit Erfolg. Die Abstimmung dürfte wegweisend für Polens Justiz sein.

Artikel lesen
Ein Redner diskutiert die aktuellen Herausforderungen für die Anwaltschaft und Justiz beim Deutschen Anwaltstag 2025. 07.06.2025
Podcast

LTO-Rechtslage-Sonderfolge zum Deutschen Anwaltstag:

Es beginnt mit dem Angriff auf Anwalt­schaft und Justiz

Welche Folgen hat der Beschluss zu Grenz-Zurückweisungen? Wie soll Justiz und Anwaltschaft auf Angriffe reagieren? US-Großkanzlei-Anwältin erzählt über ihren Ausstieg wegen des Systems Trump. All dies in Folge 34 des Rechtslage-Podcasts. 

Artikel lesen
Grenzkontrolle an der deutsch-polnischen Grenze 06.06.2025
Asyl

"Vorläufig", "politisch motiviert", "unzuständig":

Die Mythen über die Zurück­wei­sungs­be­schlüsse des VG Berlin

Fake News und Halbwahrheiten sind der Nährboden für Hetze. Das bekommen die Richter des VG Berlin zu spüren, die Zurückweisungen von Asylsuchenden für rechtswidrig erklärt hatten. Anlass genug, die Fakten noch einmal geradezurücken.

Artikel lesen
Das Bild zeigt eine demonstrierende Frau mit einem Schild, die für mutige Anwälte gegen politischen Missbrauch fordert. 06.06.2025
Anwaltsberuf

"Besorgniserregender Angriff auf die Unabhängigkeit der Anwaltschaft":

Deut­sche Anwalts­kam­mern nehmen US-Kanz­leien ins Visier

Diverse amerikanische Anwaltskanzleien haben mit US-Präsident Trump "Deals" geschlossen, um einer Sanktionierung zu entgehen. Darunter sind Kanzleien mit Zweigniederlassungen in Deutschland. Dies könnte berufsrechtliche Konsequenzen haben.

Artikel lesen
Demonstranten schwenken georgische Nationalflaggen während einer Protestaktion der Opposition gegen das "Gesetz zur Transparenz ausländischer Einflussnahme" in Tiflis, Georgien, am 02.05.2024. 02.06.2025
Menschenrechte

Bericht von "Brot für die Welt":

Demo­k­ratie und Men­schen­rechte welt­weit unter Druck

Ein jährlicher Bericht von "Brot für die Welt" untersucht, welche zivilgesellschaftlichen Freiheiten die Staaten den Bürgern gewähren. Die Freiheitsrechte in Deutschland seien "beeinträchtigt", was der zweitbesten Kategorie entspricht.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Stadt Mannheim
VOLL­JU­RIST*IN ALS SACH­GE­BIETS­LEI­TUNG (M/W/D)

Stadt Mannheim , Mann­heim

Logo von LAFP NRW (Polizei)
Füh­rungs­kraft (m/w/d) in der Lauf­bahn­grup­pe 2.2

LAFP NRW (Polizei) , Düs­sel­dorf

Logo von Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg
Voll­ju­rist:in­nen (m/w/d) - Trainee­pro­gramm für an­ge­hen­de...

Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg , Ham­burg

Logo von Kaufland
Con­sul­tant Da­ten­schutz (m/w/d)

Kaufland

Logo von held jaguttis
Rechts­an­wäl­tin/Rechts­an­walt (m/w/d) für das Öf­f­ent­li­che Recht/Öf­f­ent­li­che...

held jaguttis , Köln

Logo von GvW Graf von Westphalen
Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches...

GvW Graf von Westphalen , Ber­lin

Logo von Landtag Brandenburg
Par­la­ments­rä­tin/Par­la­ments­rat (B 2) als Re­fe­rent/in (m/w/d)

Landtag Brandenburg , Pots­dam

Logo von Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz
Re­fe­rent (m/w/d)

Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz , Spey­er

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Webinar Weltraumrecht «Wettlauf ins All – Europas Rolle, Liechtensteins Beitrag»

17.06.2025

Webinar: RVG-Erhöhung 2025 – so rechnen Sie richtig ab!

18.06.2025

Webinar: RVG-Erhöhung 2025 – so rechnen Sie richtig ab!

18.06.2025

Logo von Fachseminare von Fürstenberg
Die RVG-Reform 2025 - so rechnen Sie richtig ab!

18.06.2025

Triff Möhrle Happ Luther auf der Stellenwerk Messe Hamburg

18.06.2025, Hamburg

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH