Ein Rechtsanwalt und Publizist wurde über Jahrzehnte hinweg vom Verfassungsschutz beobachtet, weil er demokratiefeindliche Ziele unterstützt haben soll. Nun hat auch die zweite Instanz geurteilt: Das war rechtswidrig.
Es ist ein Fall wie aus einem Spionagethriller: Bereits als Jurastudent, später dann als Anwalt, Publizist, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte sowie stellvertretender
Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen wurde ein deutscher Staatsbürger vom Verfassungsschutz beobachtet - über drei Jahrzehnte lang. Am Mittwoch hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster entschieden, dass diese Langzeitüberwachung rechtswidrig war (Urt. v. 13.03.2018, Az. 16 A 906/11).
Die Überwachung des Mannes endete erst im Jahr 2008, als das erstinstanzliche Urteil in der Sache erging und die Überwachung als rechtswidrig einstufte. Der Betroffene selbst sprach in einer Stellungnahme von der wohl "längste(n) Dauerbeobachtung einer unabhängigen, parteilosen Einzelperson" durch den Verfassungsschutz überhaupt.
Nach Ansicht des Inlandsnachrichtendienstes war der Mann ein Verfassungsfeind: Anfang der 1970-er Jahre, als die Überwachung begann, engagierte er sich für den Sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB, später: Sozialistischer Hochschulbund), von 1986 bis 1999 gehörte er der Redaktion der geheimdienst- und polizeikritischen Zeitschrift Geheim an. Zudem, warf man ihm vor, unterstütze er die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und weitere DKP-nahe Organisationen. Das hätten sein journalistisches Eintreten für deren Ziele und seine Tätigkeit als Referent auf entsprechenden Veranstaltungen ergeben.
OVG: Kein Hinweis auf verfassungsfeindliche Bestrebungen
Diese Beweisgrundlage war dem OVG, wie auch bereits in erster Instanz dem Verwaltungsgericht (VG) Köln (Az. 20 K 2331/08), zu dünn. Es bestätigte dessen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Die zur Zeit der Überwachung ermittelten Tatsachen hätten diese nicht rechtfertigen können, erklärte der 16. Senat.
Betreffend seine Unterstützung und Mitarbeit beim SHB und in der Redaktion der Geheim fehle es schon an nachweislich verfassungsfeindlichen Betrebungen der jeweiligen Organisationen, so das Gericht. Die ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtete DKP wird indes zwar dem linksextremen Spektrum zugeordnet. Allerdings konnten die Verwaltungsrichter anhand der vorgelegten Beweise nicht erkennen, dass der Überwachte deren Ziele wirklich unterstützt habe.
Angesichts der "schweren Grundrechtseingriffe", so das OVG, sei die Überwachung darüber hinaus auch unverhältnismäßig gewesen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ man aber die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu. Die Auseinandersetzung dürfte damit also noch nicht beendet sein.
Verfassungsschutz beobachtete Juristen über 30 Jahre: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27529 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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