Eine Naziglocke mit der Aufschrift "Alles fuer's Vaterland – Adolf Hitler" darf im pfälzischen Herxheim hängen bleiben*. Ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss verharmlose nicht die NS-Willkürherrschaft, entschied das OVG Koblenz.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in Koblenz hat entschieden, dass die im Kirchturm der protestantischen Kirche in Herxheim seit 1934 hängende Glocke, die mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift "Alles fuer's Vaterland – Adolf Hitler" versehen ist, weiter dort hängen bleiben darf. Ein Beschluss des Gemeinderats, die Glocke hängen zu lassen, sei rechtlich nicht zu beanstanden (Beschl. v. 25.01.2019, Az. 10 A 11557/18 und 10 A 11561/18).
Der Gemeinderat beschloss im März vergangen Jahres, die Glocke "als Anstoß zur Versöhnung und Mahnmal gegen Gewalt und Unrecht weiterhin hängen zu lassen." Zudem sollten an der Kirche eine Mahntafel aufgestellt werden und Veranstaltungen zum Thema Gewalt und Unrecht zur Zeit des Nationalsozialismus organisiert werden.In diesem Zusammenhang bezeichnete der Bürgermeister das Läuten der Glocke als "Versöhnung mit den Opfern der Nazizeit".
Ein Bürger jüdischen Glaubens und Verwandter von Naziopfern sah darin eine unzumutbare Verspottung und Verhöhnung der Opfer des Hitlerterrors und des Holocaust sowie deren Nachfahren. Er verwies auf eine Stellungnahme des Zentralrates der Juden in Deutschland, in der es als unerträglich erklärt werde, dass die Glocke als Zeichen der Versöhnung mit den Opfern der Nazizeit weiter läuten solle. Er klagte deshalb gegen den Gemeinderatsbeschluss und wollte dem Bürgermeister von Herxheim die Äußerung untersagen lassen, dass die Glocke "der Versöhnung mit den Opfern der Nazizeit" diene. Das Verwaltungsgericht wies seine Klage ab.
OVG: Keine Billigung des NS-Unrechts
Zu Recht, wie das OVG nun entschied. Auch wenn man die Frage, ob die Glocke hängen bleiben soll, politisch durchaus unterschiedlich beantworten könne, sei die Entscheidung des Gemeinderats nach Auffassung des OVGs von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Ausweislich des Beschlusses erkenne der Gemeinderat das Unrecht des NS-Regimes ausdrücklich an und distanziere sich davon. Im Hängenlassen der Glocke sei deshalb trotz des darauf befindlichen Hakenkreuzes und der Aufschrift keine Verharmlosung oder gar Billigung der Judenverfolgung zu sehen. Die optisch nicht sichtbare Glocke werde vielmehr zum Anlass genommen, zur Versöhnung aufzurufen sowie sich gegen Gewalt und Unrecht auszusprechen, so das OVG.
Auch bezüglich der Äußerungen des Bürgermeisters folgte das OVG der Vorinstanz. Das VG entschied im vergangenen Oktober, dass es sich bei der Aussage um eine zulässige Meinungsäußerung handelt. Ob die Glocke eine versöhnende Wirkung habe, sei keiner Beweisaufnahme zugänglich, sondern maßgeblich von wertenden Elementen abhängig.
acr/LTO-Redaktion
*Anm. d. Red.: Zunächst hieß es hier unzutreffend, die Glocke dürfe weiter läuten. In dem Verfahren vor dem OVG ging es aber ausschließlich um die Frage, ob die Glocke hängen bleiben darf, über das Läuten wurde nicht entschieden. Geändert am 21.03.2019, 14.56 Uhr.
OVG Koblenz zu umstrittener Kirchenglocke: . In: Legal Tribune Online, 30.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33545 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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