OVG Hamburg zu Gefahrengebieten: Knast in der Walpurgisnacht

13.05.2015

Die Hamburger Polizei kann Teile der Stadt zu sogenannten Gefahrengebieten ausweisen, um leichter Identitätskontrollen durchführen und Aufenthaltsverbote erteilen zu können. Nachdem eine Klägerin rügte, zu Unrecht stundenlang in Gewahrsam genommen worden zu sein, kam das OVG zu dem Ergebnis, dass gleich die gesamte Rechtsgrundlage der Gefahrengebiete verfassungswidrig ist.

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) ist der Ansicht, § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) verstoße gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Urt. v. 13.05.2015, Az. 4 Bf. 226/12).

Nach Ansicht der Richter definiere die Norm die Voraussetzungen für die Ausweisung eines Gefahrengebietes nur unzureichend. Vielmehr bleibe es der Polizei überlassen, zu entscheiden, ob und für wie lange ein Gefahrengebiet ausgewiesen und dort Personen verdachtsunabhängig überprüft werden könnten.

Außerdem erlaube das Gesetz Eingriffsmaßnahmen von erheblichem Gewicht zur Abwehr bloß abstrakter Gefahren und gegenüber Personen, ohne dass diese zuvor einen konkreten Anlass für eine polizeiliche Maßnahme gegeben haben müssen.

Im zugrunde liegenden Fall war die Klägerin am 30. April 2011, der Walpurgisnacht, im Hamburger Schanzenviertel zunächst auf ihre Identität überprüft worden. Anschließend durchsuchten die Polizisten ihren Rucksack, erteilten ihr ein Aufenthaltsverbot und nahmen sie schließlich bis in die frühen Morgenstunden des 1. Mais in Gewahrsam.

Während in erster Instanz bereits festgestellt wurde, dass das Aufenthaltsverbot und die Ingewahrsamnahme rechtswidrig gewesen seien, sind nach Ansicht des OVG auch die Identitätsfeststellung und die Rucksackkontrolle nicht von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG gedeckt. Die Vorschrift erlaube nur die Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen, nicht aber eine Durchsuchung. Außerdem sei die Auswahl der Klägerin zu einer Kontrollmaßnahme ermessensfehlerhaft gewesen, weil ein ungeeignetes Unterscheidungskriterium - "linkes Spektrum" - zugrunde gelegen habe.

ms/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OVG Hamburg zu Gefahrengebieten: . In: Legal Tribune Online, 13.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15540 (abgerufen am: 07.10.2024 )

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